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Kultur: „Ich wurde abgelehnt, weil ich zu jung bin“

Mit 24 Jahren ist er der jüngste Autor im Diogenes-Verlag / Morgen liest Benedict Wells in Potsdam

Herr Wells, haben Sie Angst vor Mittelmäßigkeit?

Nein!

Nein?

Nein, ich habe keine Angst vor Mittelmäßigkeit, weil das immer auch ein subjektiver Begriff ist. Aber Mittelmäßigkeit war nie mein Thema.

Für Robert Beck, dem Helden aus ihrem Debütroman „Becks letzter Sommer“, ist diese selbst empfundene Mittelmäßigkeit ein großes Thema.

Was Beck macht, ist vielleicht mittelmäßig. Er selbst aber ist alles andere als mittelmäßig. Beck ist aus seinem Leben als Lehrer ausgebrochen, versucht mit Ende 30 noch einmal alles.

Beck, der davon träumt, mit Musik erfolgreich zu sein, wartet vergeblich auf den „genialen Moment“. So geht es wohl vielen Menschen. Sie warten auf den „genialen Moment“ und alles andere wird für sie zu etwas Mittelmäßigem.

Ja, jeder möchte sich doch selbst verwirklichen oder das Beste aus sich machen. Becks Problem besteht darin, dass er das Gefühl hat: Was er auch versucht, aus sich zu machen, es ist nicht gut genug. Das ist ein Dilemma. Aber vielleicht bin ich mit 24 noch zu jung, mich diesem Thema ernsthaft zu stellen.

In Ihrem Roman „Becks letzter Sommer“ stellen Sie sich diesem Thema doch sehr souverän. Aber vielleicht ist Mittelmäßigkeit für Sie deshalb weniger ein Problem, weil Sie Ihren ersten Roman gleich im renommierten Diogenes-Verlag veröffentlicht haben. Sie sind ein Glückspilz.

Ganz so einfach war es nicht. Vier Jahre lang wurde ich immer wieder abgelehnt. Nicht wegen der Qualität meines Manuskripts, sondern weil ich zu jung war.

Wie bitte?

Ja, es kamen tatsächlich Ablehnungen, in denen stand, dass sie viel gelacht haben beim Lesen, aber ich sei einfach noch zu jung. Erst als ich eine Agentur gefunden hatte, als mir endlich wenigstens ein Mensch aus dem Literaturbetrieb sein Vertrauen geschenkt hatte, lief es.

Sie verschicken ein überzeugendes Manuskript ab, werden aber abgelehnt, weil Sie zu jung sind? Das ist doch ein Scherz?

Nein, die haben alle gezögert, niemand hat sich getraut, diesen Schritt zu machen. Vor zehn Jahren wurde noch alles veröffentlicht, was von jungen Autoren kam. Jetzt hatten die Angst, dass die Presse sagt: Ach nein, nicht schon wieder so eine junge Pfeife.

Kommen einem da nicht Zweifel?

Jeden Tag hatte ich die größten Zweifel. Gleichzeitig habe ich aber immer an das Buch geglaubt und versucht, das Positive aus einer Kritik und einer Absage herauszuholen. Vielleicht habe ich mich da auch selbst belogen.

Letztendlich belügt sich Beck auch. Trotz seiner Bekanntschaft mit dem musikalischen Wunderkind Rauli Kantas, der ihm zeigt, was er nie erreichen kann, beginnt er damit, wieder selbst Musik zu machen.

Ich habe immer an das Potenzial der Figur Beck geglaubt.

Obwohl Robert Beck vergeblich auf den „genialen Moment“ wartet? Ist Ihr Roman also als Plädoyer für die Selbstverwirklichung zu lesen?

Ja, absolut, denn wenn man eine Leidenschaft in sich hat, muss man die ausleben. Sonst führt man nur ein Leben nach Schema F. Auch wenn man scheitert, allein der Versuch ist es wert. Sonst bleibt uns bis zum Lebensende immer nur das „Ach, hätte ich doch!“

Das Gespräch führte Dirk Becker

Benedict Wells liest morgen, 20 Uhr, im Literaturladen Wist, Dortustraße 17. Der Eintritt kostet 3/5 Euro.

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