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Kultur: Idylle in Bild und Ton

Persius Ensemble klangmalt zur Buchpräsentation von „über Land“

Persius Ensemble klangmalt zur Buchpräsentation von „über Land“ „Es gibt nichts Beständigeres als die Unbeständigkeit“, resümiert „Simplicissimus“-Erzähler Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen die Erfahrungen des 30-jährigen Krieges. Und Brecht stellt dialektisch fest: „So wie es ist, bleibt es nicht“. Veränderungen sind also immer wieder gefragt und angesagt, aber nicht immer bequem. Wie mit dem Wandel leben? Wird dadurch der Wert von Beständigkeit und der Wunsch nach ihr nicht in Frage gestellt? Jedwede Kulturlandschaft mit ihrem diffizilen Beziehungsgeflecht von Natur, Mensch und Kultur reagiert auf Veränderungen entsprechend. Doch was ist, wenn der Mangel an Glauben an notwendige Veränderungen einem Vorwärtskommen hinderlich ist? Und: Bleibt es wirklich nur bei einem Umbau, wird der vielleicht gar zu einem Abbau? Was folgt ihm? Diesen und noch viel mehr Fragen spürt die Veranstaltungsreihe „Kulturland Brandenburg 2004“ nach, die „Landschaft und Gärten“ in den Mittelpunkt ihrer vielfältigen Aktivitäten rückt. Sie wird von der Buchpublikation „über Land“ begleitet, die dazu anregt, eine Region im Spannungsfeld ihrer unterschiedlichsten Landschaftsformen zu entdecken. Über sechzig beeindruckende großformatige Luftaufnahmen des Berliner Fotografen Jürgen Hohmuth bieten außergewöhnliche Perspektiven, Bekanntes neu zu entdecken. Dazu bediente er sich eines von ihm konstruierten Fotoluftschiffes mit Spezialkamera, die elektronisch vom Boden aus gesteuert und betätigt wird. Durchweg Idylle strahlen die Aufnahmen von Schloss Babelsberg und Glienicker Brücke, Kloster Chorin, Klosterstift Heiligengrabe, vom Schiffhebewerk Niederfinow, dem Belvedere auf dem Pfingstberg oder dem Pumpwerk an der Neustädter Havelbucht in Potsdam aus. Beschaulichkeit vermitteln auch die fotografischen Wiedergaben einer einst geschundenen Industrielandschaft: stillgelegte Baustelle der Chipfabrik in Frankfurt (Oder), Gelände des ehemaligen Stahlwerks in Brandenburg a.d.H., Tagebaukante Cottbus-Nord... . Diese künstlerisch gestalteten Gärten- und Landschaftsporträts illustrieren die essayistischen Impressionen und kontroversen Meinungen aufs Vortrefflichste. Da ist u.a. vom „Klimawandel“ die Rede (Manfred Stock), beschreibt PNN-Redakteur Thorsten Metzner den langwierigen Kampf gegen den „Niedergang von Brandenburg a.d.H.“, stellt Karl Ganser die provokante Frage „Braucht die Gesellschaft heute noch Landschaft?“ In biografischen Kurzporträts erzählen 13 Brandenburger von ihren oftmals brüchigen Lebensumständen und Schicksalen. Passend zum Thema der Buchpräsentation, die auf der Potsdamer Freundschaftsinsel stattfand, spielte das Persius Ensemble Garten-Musiken landeshauptstädtischer Komponisten, die sie im Vorfeld der BUGA 2001 geschrieben hatten. Wegen des frisch wehenden Windes zogen sich die Musiker in den Schutz des Ausstellungspavillons zurück, um von dort aus die auf der Terrasse Sitzenden mit wohlgerundeten Klängen zu erfreuen. Naturale Zutaten wie Blätterrauschen und emsiges Vogelgezwitscher treten dabei in fröhlichen Wettstreit mit den Instrumenten. Mit einladenden Rufen des Horns (Andreas Bohm) lädt Komponist Ludwig Walter zum Hörbesuch von „Sanssouci“ ein. Oboenkeckereien (Jan Böttcher) treffen auf klangvolle Klarinettenerwiderungen (Matthias Simm), während das Fagott (Barbara Kehrig) die Genreszene gründlich grundiert. Wolfgang Thiels viersätzige „Neuer Garten“-Musik bedient sich eines ansprechenden Serenadentons: nicht immer heiter, aber immer ohrengefällig. Ernst strahlt die Betrachtung der Ägyptischen Pyramide aus, Melancholie das „See-Stück im Herbst“. Nicht weniger apart im Tonsatz, setzt Gisbert Näther mit seinem assoziationsreichen Bläserquartett „Der Wildpark“ dem von Persius gestalteten Areal ein klangprächtiges Denkmal. Auch hier verweist das Horn auf die jagdliche Zweckbestimmung des Waldreviers. Entspannt lässt sich aber auch „Auf den Wegen Lennés“ spazieren. Weit gehend frei von direkten Garten/Landschaftsverweisen zeigt sich Gerhard Rosenfelds „Cantabile“, das mit orientalischen Anklängen entsprechendes Serailflair zu zaubern versteht. Gravitätisch wie es sich für alte Eichen und neogotische Bauwerke gehört, beginnt Bernhard Opitz'' Beschreibung des „Babelsberger Parks“, die zwischen besinnlichen und heiter changierenden Betrachtungen pendelt. Groteske Marschanklänge und aufmüpfige Liedzitate („Freiheit, die ich meine“) setzen der herben Hommage funkelnde Glanzlichter. Potsdams Tonsetzer wissen (bzw. wussten) eine originelle, verständliche Notenfeder zu führen. Gehörten ihre Niederschriften nicht regelmäßig vorgestellt. Etwa im Nikolaisaal, in einer Reihe, die „Potsdamer Begegnungen“ oder so ähnlich heißen könnte?! Peter Buske „_über Land“, Landschaft und Gärten in Brandenburg. L & H Verlag, Hamburg. 168 S., 60 Farbluftbilder. 19,80 Euro.

Peter Buske

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