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Kultur: In der „angestaubten“ Ecke

Zwei große Namen in der kleinen Dorfgalerie Töplitz: Johannes Grützke und Christian Höpfner

Zwei große Namen in der kleinen Dorfgalerie Töplitz: Johannes Grützke und Christian Höpfner Was in der DDR-Kunst „verordnet" wurde, mussten sie sich erkämpfen. Beide passten mit ihren realistisch-gegenständlichen Arbeiten nicht in das angesagte Bild der westdeutschen Kunstszene. Mit dem Maler Johannes Grützke und dem Bildhauer Christian Höpfner bringt die kleine Töplitzer Galerie zwei große Namen aufs Dorf. Die beiden Berliner sind Eigenbrötler und passen doch aufs Beste zusammen. „Es gibt kaum jemanden, den ich länger kenne als Christian", meint Johannes Grützke und erinnert sich in seiner augenzwinkernd-fabulierenden Art, wie ein von ihm umschwärmtes Mädchen nur Augen für Christian hatte. Das Mädchen mit dem Zopf nahm keinen von beiden, doch der „Nebenbuhler" wurde für ihn zum „Lebensbegleiter": Immer wieder kreuzen sich ihre Wege, meist auch ohne Verabredung. Als künstlerisches Duo trumpfen sie indes zum ersten Mal auf. Johannes Grützke brachte Zeichnungen mit auf die Insel, geradezu brav im Vergleich zu seiner kürzlich in Potsdam gezeigten Schau. In Töplitz präsentiert er – passend zu den Bronze-Porträts Höpfners – die zigfache Variation ein- und desselben Frauenmodells. Über 13 Jahre erstreckt sich diese Porträtreihe, die das alte Galerie-Gemäuer wie ein Fries umschließt. Es ist keine besondere Liebe, die ihn immer wieder zu dieser Frau ziehe. „Eigentlich nervt sie mich total. Dieses Mädel kommt seit 1982 zu mir. Es sind eher Psychositzungen, aber eben ein festes Ritual. Und warum soll ich verschiedene Personen abmalen, wenn es mit einer geht, schließlich erschöpft sich ein Mensch ja nicht mit einem Mal." Es gehe ihm nicht unbedingt darum, ihre jeweilige Verfassung festzuhalten, „was aber wohl nicht ausbleibt. Es ist ein ganz einfacher Vorgang. Sie bindet sich die Haare hoch, dass ich ihren Nacken sehe und ich male drauf los. Nur dass sie so viel dabei erzählt, stört mich. Denn sie erregt sich jedesmal, und das verwackelt mein Motiv. Und anspruchsvoll ist sie auch: Oft ist sie sehr müde, und fragt: ,Können wir nicht “ne Liegende malen?“" Wenn Grützke über seine Arbeit erzählt, bürstet er witzig und provokant gegen den Strich. Er wehrt sich gegen jede Schublade, in die er gesteckt werden könnte. Das Wort „gegenständlich“ reiche für seine Arbeiten nicht aus. Denn „es geht doch nie um Kunst, sondern immer ums Leben". Auch in seiner Frauen-Reihe geht es natürlich ums Leben. Man sieht den zu schmalen Körper, der einfach nicht zum kräftigen Kopf passen will. Oder doch? Vermittelt wurde ihm sein Dauer-Modell über eine Künstleragentur. „Mein Wunsch war: Sie sollte dünn sein. Geschickt haben sie mir die Dünnste, die sie hatten: eine magersüchtige Schauspielerin, die etwas meschugge ist", bemerkt Grützke mit seiner frechen Berliner Kodderschnauze. Keine der kraftvollen Studien kopiert die andere, vielmehr läuft ein „Film“ ab, der vor- und zurückgespult scheint und leicht nuanciert immer neue Facetten freilegt. Grützke, der als Wessi sogar einen Ulbricht gemalt hat – „einen besseren als DDR-Größen wie Womacka" – und vor allem durch seinen 32 Meter langen Fries „Der Zug der Volksvertreter" in der Frankfurter Paulskirche bekannt wurde, gesteht freimütig, immer nur Verrisse für seine Arbeiten bekommen zu haben. „Ja sogar als ,Schweißfuß Tintorettos'' wurde ich bezeichnet. Aber das hat überhaupt nichts geschadet, denn was besagt das schon?" Auch in Nürnberg, wo der Mit-Begründer der „Schule der neuen Prächtigkeit" zehn Jahre eine Professur für Malerei inne hatte, fühlte er sich stets wie in einer staubigen Ecke. Oft habe er seine Schüler aufrichten müssen, die wie er gegen den Strom der Zeit schwammen. Davon kann auch Christian Höpfner ein Lied singen, denn auch er eckte mit seiner klassisch-figürlichen Form immer wieder an. „Die Figur wurde an der Hochschule der Bildenden Künste Berlin nur als Grundlagenstudium abgetan. Und so war man sauer auf mich, dass ich in die einzige figürliche Bildhauerklasse wollte: zu dem hochbetagten Richard Scheibe. Man hatte wohl gehofft, diesen Bereich schließen zu können. Aber so wurde ich sein einziger Meisterschüler.“ Seit Anfang der 50er Jahre sei diese Art der Kunst im Westen verpönt gewesen. „Ich scherte mich nicht um diese Ausgrenzung, aber war als junger Mensch schon verunsichert. Häufig habe ich meine Arbeiten zertrümmert, einen großen Gipsberg von Enttäuschungen angehäuft.“ Dennoch blieb er der Figur treu, mit einem abstrakten „Ausrutscher“, ja und er bekennt sich auch dazu, gern schöne Mädchen zu malen – „was bis heute ebenfalls auf ein Naserümpfen stößt." Der einstige Meisterschüler Scheibes wurde schließlich Hilfsarbeiter: fünf Jahre schwitzte er auf dem Bau und im Eisenwalzwerk . Bis ihn Waldemar Grzimek an die TH Darmstadt holte, wo er als Assistent auch seine Liebe zur Architektur entdeckte. „Aber ich konnte ja nicht ewig Assistent bleiben." Also folgte er dem „Ruf“ von Johannes Grützke nach Nürnberg – und wurde mehr widerwillig Professor für Bildhauerei. 27 Jahre sollte diese zögerlich beginnende Liaison währen, die ihm immerhin eine große Werkstatt und einen Gipssaal garantierte – denn das schwierige Formen in Gips ist für den selbstkritischen Gestalter eine besondere Herausforderung. 2003 kam der sich bis heute als Außenseiter fühlende Höpfner schließlich doch zu Ehren: Er erhielt den angesehenen Ernst Rietschel Preis. „Christian Höpfner ist ein Menschenbildner, wie es seit tausenden von Jahren üblich, richtig und wichtig gewesen ist“, sagte der Dichter Günter Kunert über den Bildhauer, der auch seinen Kopf sehr eindrucksvoll in Bronze verewigte. Grützke gehört ebenso wie Höpfner nicht zu den „Preisbegabten". Er, dessen Bilder früher als politisch angesehen wurden – was dem Quergeist natürlich zu pauschal ist – sieht sich heute dem Vorwurf ausgesetzt, sich ins Private zurückzuziehen. „Es stimmt, ich bin eigentlich nur noch in meinem Wilmersdorfer Atelier. Aber dort habe ich ja auch alles, was ich brauche: meine ausgestopften Tiere, die Büste Homers, den Blick aus dem Fenster“ – und seine dünne Dame. „Das Atelier ist für mich die ganze Welt: die Konzentration im Authentischen." Die Vernissage ist heute um 17 Uhr. Zuvor gibt es um 16 Uhr eine Konzert mit dem Trio Dan in der Dorfkirche.

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