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Kultur: Jopis Hände

Von Heesters zur fabrik: Bühnenfotografie von Aiette-Shagal im Ministerium

Von Heesters zur fabrik: Bühnenfotografie von Aiette-Shagal im Ministerium „Die Begegnung von Fotografie mit der Bühne ist das Besondere hier“, so Kulturstaatssekretär Christoph Helm zur Eröffnung der Ausstellung „Im Verlauf der Zeit" im Kulturministerium. Zu sehen sind Bilder von Aiette-Shagal, einem Bühnenfotografen, der seine langen Vornamen irgendwann einfach fortgelassen hat. Der erste Eindruck der SchwarzWeiß-Arbeiten fällt zunächst nüchtern aus: Porträts, Gesichter, alle in Nahaufnahme. Sind Tanz und Schauspiel nicht Bewegung, Körper und Aktion? Aiette-Shagal hingegen ist an Köpfen interessiert, und an dem, was hinter ihnen steckt. Am eindrucksvollsten: der Fotograf übernahm durch Zufall die Dokumentation der Probearbeiten für eine Inszenierung von Tschechows „Kirschgarten“. Mit dabei war der damals 98 jährige Johannes Heesters. Aiette-Shagal überwindet die Distanz zwischen Bühnenrand und Theaterboden mit schnellem Telezoomobjektiven und rückt näher an seine Objekte, als irgendjemand es je vermag. Die Aufnahmen sind nicht gestellt, stets im Hochformat, schließlich „sieht der Mensch im Querformat". Am liebsten sind ihm die Augenblicke der Besinnung, in kurzen Spielunterbrechungen. Heesters Antlitz leuchtet vor Erhabenheit, seine Augen unergründlich tief, voller Konzentration, zugleich auch in sich entrückt. Zwei Aufnahmen der fast 60 Bilder zeigen „Jopi", das nun 100jährige Bühnenphänomen, in genialer Reduktion. Übergeschlagene Beine, ein edler, silberner Gehstockgriff und zartfeine Hände, deren Altersflecken, Furchen und Zerbrechlichkeit ein unfassbar langes und produktives Leben zur Abbildung bringen können. Aiette-Shagal ist beim Rundgang zur Eröffnung noch völlig beeindruckt von den „aberwitzigen Verknüpfungen", die jetzt zur dieser Ausstellung im Brandenburger Ministerium geführt haben. „Von Zufall möchte ich gar nicht reden." Die Ausstellung zeigt Aufnahmen u.a. aus München, Berlin, Moskau und Edinburgh. Hier kam es vor zwei Jahren zur ersten Begegnung mit der Potsdamer Tanzkompanie der fabrik, die Aiette-Shagal als „Schlüsselerlebnis" bezeichnet. Die Potsdamer Tänzer beeindruckten den Fotografen, der dem Staatssekretär auf dem gemeinsamen Rundgang die weltweite Bedeutung des Ensembles näher bringen wollte: „Es gibt in der Welt keine Truppe, die künstlerisch und administrativ seit 15 Jahren zusammenarbeitet – und das gleichberechtigt". Nahezu unbekannt wäre es in der Stadt geblieben, dass man drei Wochen in der berühmten Oper von Sidney mit dem Stück Pandora 88 gefeiert wurde, dass die Tänzer Wolfgang Hoffmann und Andrew Dawson, von denen hier auch Bilder zu sehen sind, international bekannte Künstler seien. „Der Prophet gilt nichts im eigenen Land", kommentiert die Leiterin der fabrik, Sabine Chwalisz, die unterschiedlichen Wahrnehmungen gelassen. Schließlich hilft diese Ausstellung und die wohlwollenden Gespräche am Rande über eine Dokumentation des 15jährigen Jubiläums der fabrik im nächsten Jahr durch Aiette-Shagal auch, die herausragende künstlerische Bedeutung der Kompanie zu festigen. In Stuttgart wurden die Proben des Potsdamer Ensembles von Aiette-Shagal begleitet, für die Leiterin war ein Fotograf, „der einem auf den Leib rückt“ eine ungewöhnliche, aber gute Erfahrung. Auch plötzlich selbst Objekt einer Kunstform zu sein. Schließlich eröffnete die Durchsicht der Aufnahmen während der Proben auch Erkenntnisse über Entstehungsprozesse, die wieder in die Arbeit einfließen konnten. Matthias Hassenpflug Zu sehen bis zum 26. November im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Dortustraße 36.

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