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Da ist sie, die EP ohne Titel.

© promo/Sun

Record-Release-Party im Spartacus: Keine Lust mehr auf Viervierteltakte

Die Potsdamer Band Sun spielt verfrickelten Math Rock - und am Samstagabend im Spartacus zur Record-Release-Party ihrer neuen EP

Wann sie eigentlich mit Sun angefangen haben, das wissen die Musiker der Potsdamer Band  auch nicht mehr so genau, irgendwann 2009 muss das gewesen sein. In der aktuellen Besetzung mit Till Kühn am Schlagzeug, Jan Waterstradt und Julius Mühlstein an den Gitarren und Kai Kittelmann am Bass spielen Sun jetzt aber ungefähr zwei Jahre.

Am heutigen Samstag ist es so weit: Im Spartacus gibt es die Recorde-Release-Party zum ersten Output der Band, eine EP mit vier Tracks. Nicht viel, was da in den zwei Jahren komponiert wurde – denken die, die die Band nicht kennen. Wer sich jedoch anhört, was für komplexe Songstrukturen da entstanden sind, kommt aus dem Staunen dann gar nicht mehr heraus. Irgendwo bei Math Rock mit progressiven Elementen ist die Band gelandet, hoch komplexe Strukturen mit vertrackten Elementen, nur mit Instrumenten. Der Verzicht auf Gesang ist ein bewusstes Experiment, aber für die Zukunft will niemand kategorisch ausschließen, dass der noch kommt. Momentan hat sich das auch noch nicht ergeben, die Band habe aber auch einen krassen Anspruch. „Mir hat mal nach einem Konzert jemand gesagt, dass ihm der rote Faden fehle. Da hab ich geantwortet: Hey, du hast es erkannt!“, sagt Julius.

Sun ist eine der Gründungsbands aus dem Brausehaus-Kollektiv, die ihren Proberaum in dem Komplex in der Geschwister-Scholl-Straße haben. Das Brausehaus ist mehr als nur ein Zusammenschluss von Proberaummietern, man unterstützt sich gegenseitig, und einige Bandmitglieder spielen auch bei anderen Bands mit, Gitarrist Jan etwa bei Minerva. „Es gibt da die Stonehenge-Minerva-Ecke, den Conium-Raum und ganz hinten sind wir drin“, beschreibt Gitarrist Julius die räumliche Verteilung.

Nachdem der erste Gitarrist nach Hannover gezogen war, heuerte Jan an. „Jan hat eine Klangfarbe mehr reingebracht, etwas Jazziges“, sagt Julius. „Er ist der Virtuose“, ergänzt Kai. Die Band hatte einfach keinen Bock mehr auf Standards: „Viervierteltakte, das hatten wir jahrelang, davon wollten wir einfach weg“, sagt Julius. Musik zum Abtanzen ist das also nicht, auch wenn das Publikum ganz schön abgehen kann. „Ich sehe die Leute vor der Bühne aber gar nicht, weil ich immer aufs Griffbrett gucken muss“, gesteht Bassist Kai. Die Proben verlangen hohe Konzentration ab, vorher noch ein Bier trinken, so etwas falle aus. Als Kai zum ersten Mal zur Probe kam, war er zunächst perplex: „Ich stand erst mal kopfschüttelnd da: Was ist das denn für eine kranke Scheiße? Und dann bin ich reingewachsen“, sagt er.

Dass in der Musik extrem viel Arbeit drinsteckt, hört man sofort. Die Gitarren sind tief gestimmt, die Musik lebt vom Überraschungseffekt, der Wiederholungen vermeidet – man weiß einfach nie, was als Nächstes kommt. Um sie bei Proben verwenden zu können, wurden die ganzen Riffs am Rechner zusammengeklebt, dann ging es immer wieder ins Detail, jede einzelne Note, jeder Takt wurde diskutiert, inwieweit das praktisch anwendbar ist – das bedeutete auch eine Menge Hausaufgaben. Jam Sessions gab es eigentlich nie, das war reine Kompositionsarbeit. „Wir brauchen für jeden einzelnen Song mindestens ein halbes Jahr, bevor er fertig ist“, sagt Kai. In den letzten Jahren sind so insgesamt sechs Songs entstanden. Langsam gehe es etwas schneller, weil man das Feeling füreinander bekommt. Aber der mathematische Ablauf lernt sich nur durchs Spielen. Und da steht schon mal eine Tafel im Proberaum, auf der „3-2-5-3-5-3-2“ steht. „Ich habe mir Skizzen für die Songstrukturen gemalt, und als ich die wegließ, fühlte ich mich einfach nur nackt“, sagt Kai.

Die Proben gehen so lange, bis die Luft raus ist. „Manchmal fühle ich mich hinterher wie gerädert“, sagt Julius. Oft wurde den ganzen Abend nur ein einziges Riff gespielt,  bei der Aufnahme wurde jede Spur einzeln bewertet. Titel für die Songs gebe es trotzdem nicht, die haben einfach nur Nummern. „Wir haben stundenlang wertvolle Probenzeit verschwendet, um Titel zu finden. Am Ende blieb es aber doch bei Zahlen“, sagt Kai. Aber Titel würden viel zu sehr von der Musik ablenken, darin ist sich die Band einig. „Wir haben ernsthaft überlegt, nicht einmal den Bandnamen auf die CD zu drucken. Aber ich habe in letzter Sekunde mein Veto eingelegt“, sagt Kai.

Record Release Party von Sun am Samstag, 12. April, um 21 Uhr im Spartacus, Friedrich-Engels-Straße 22. Support gibt es von Vijeriah und In Your Face, danach ist Party mit Dubstep und Drum’n’Bass.  

Oliver Dietrich

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