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Kultur: Klar und kantabel

Evangelisches Gymnasium Hermannswerder mit Bachs Johannespassion

Im Zeichen der Verkündigung stand die Aufführung von Johann Sebastian Bachs Johannespassion durch das Evangelische Gymnasium Hermannswerder in der übervollen Inselkirche. Rund 150 Sänger aus Schulchor und Projektchor, Kammerorchester sowie eine Reihe von namhaften Solisten deuteten das biblische Geschehen auf ebenso klare wie unprätentiöse Weise.

Von den zwei Fassungen der Johannespassion hatte der musikalische Leiter Dietrich Schönherr die ältere von 1725 gewählt. Mit den großartigen Chören zu Beginn und am Ende wirkt diese Version ungleich dramatischer und emphatischer als die Fassung von 1727, die Bach wohl auf Wunsch der Leipziger Ratsherren ziemlich abgemildert hat.

Gerade die später gestrichenen Chorsätze „Herr, unser Herrscher“ und „Ach Herr, lass dein lieb Engelein“ geben dem aufwühlenden und beklagenswerten Geschehen um die Kreuzigung Jesu im Spiegelreflex der Gemeinde viel glaubensstarke Zuversicht und sanften Trost.

Im Zentrum dieser herben, glutvollen oratorischen Passion steht Verhör, Verurteilung und Kreuzigung Jesu gefolgt von Tod und Grablegung. Für die musikalische Repräsentation der entsprechenden Bibelstellen, die dem Johannes-Evangelium entstammen, wandte Bach seine gesamte Kunst auf. Zu den besinnlichen Chorälen treten zahlreiche vehemente Turba-Chöre der aufgewiegelten Volksmassen sowie Solo-Arien mit andächtigem, trauernden Inhalten, die die „fromme Seele“ des einzelnen Gläubigen reflektieren. Äußeres Geschehen und inneres Erleben bilden ein äußerst komplexes Gewebe, dem erst die Musik den letzten und tiefsten Ausdruck verleiht.

Dass die Musik der Verkündigung dienen solle, ist ein Grundsatz, dem die Aufführung des Evangelischen Gymnasiums vorbildlich folgte. Sowohl bei den Chören als auch bei den Solisten stand die Artikulation des Textes im Vordergrund und gelang hervorragend. Leider trübte der Klingelton eines Handys ausgerechnet den Tod Jesu. Als einzige weibliche Gesangssolistin überzeugte Maria Meckel speziell in der Arie „Zerfließe mein Herze“ mit inniger und unaffektierter Stimmführung. Von den männlichen Solisten bestach der Evangelist Ingo J. Sander, der bei aller Klarheit der Diktion auch den lyrischen Melismen sensiblen Ausdruck verlieh. Überragend sang und deklamierte Jan Buchwald. Sein Jesus überzeugte mit würdiger, baritonaler Selbstgewissheit. Den beiden Altarien verlieh Markus Dietzsch als Altus eine ätherisch-transzendierende Aura, besonders bei „Es ist vollbracht“. Ingo Witzke sang mit wohlklingendem Bass den Pilatus sowie die Arie „Betrachte, meine Seele“. Das Kammerorchester Hermannswerder, mit Gästen verstärkt, spielte kantabel und zurückhaltend. Violinen, Celli, Flöte und Oboe da caccia ergänzten mit schönen Soloeinsätzen diese außerordentlich stimmige Aufführung durch das Evangelische Gymnasium. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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