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Kultur: Kult ist „in“. Punktum Kulturhauptstadt-Ideen auf einer CDU-Versammlung vorgestellt

Dass Potsdam „in“ ist, weiß man längst, wo sollte es auch sonst sein. Nun aber rollt auf die alte Preußen-Residenzstadt etwas viel Gewichtigeres zu - ein „Kult“-Status.

Dass Potsdam „in“ ist, weiß man längst, wo sollte es auch sonst sein. Nun aber rollt auf die alte Preußen-Residenzstadt etwas viel Gewichtigeres zu - ein „Kult“-Status. Wenn es nach den Ideen und Vorstellungen des Vereins „Kulturhauptstadt Potsdam“ geht, wird dieselbe spätestens 2010 selbst „Kult“ geworden sein. Weil Kult eben „in“ ist. Diese fabelhafte Idee braucht natürlich Multiplikatoren, und so stellten am Donnerstag Björn O. Wiede und Frau Fides Mahrla dem innenstädtischen Ortsverein der CDU zu dessen konstituierender Sitzung im Restaurant „Da Vinci“ ihre Pläne und Visionen vor. Für den bekannten Kirchenmusiker ist Potsdam schon „Kulturhauptstadt von sich aus“, aber das wissen die anderen Bewerber wie Lübeck, Braunschweig oder Görlitz vielleicht noch nicht. Deshalb rührte der Bewerbungs-Kulturhauptstadt-Beauftragte Moritz van Dülmen kräftig die Hände. Ende März werden die offiziellen Bewerbungsunterlagen an das Land übergeben, drei Monate später sollen sie dort „abgesegnet“ sein. 2006 wird der Bewerber von der EU bestätigt, erst dann braucht man eine feste Konzeption, know how und jede Menge Bürgerwillen, den man, was Potsdam betrifft, erst noch entfachen muss. Die Kassen Europas und des Bundes stehen der glücklichen Stadt mit diesem Datum ja offen. Bis dahin aber darf noch geträumt werden - wie die Potsdamer von der Idee entzündet werden können, wie man für das „künftige Bühnenstück“ (Mahrla) punktet: Zum Beispiel mit TreffPunkten, StreitPunkten, BerührungsPunkten, KulturPunkten und ähnlichen SchwerPunkten, wozu auch eine mobile Bittlinden-Installation gehören soll, die man punktuell in die weitschweifige Peripherie der neuen Großgemeinde schickt, dort „am Rand“ wohnen jetzt 30 000 Menschen. Hinzukommen Aufkleber („Potsdam ist Kultur“), kultige Poster und Briefumschläge mit dem zugkräftigen Logo-In, man sucht an Häuserwänden und in Ladenflächen Platz zum Werben für den Wettbewerb. Der Verein hat sich da einiges einfallen lassen, auch eine Ausschreibung, na klar, zum Punktesammeln für die ganz Engagierten, je mehr Veranstaltungen man besucht, um so mehr Pünktchen gibt es. Am Ende wird man bei einem „großen Fest“ belohnt. Natürlich sind die Potsdamer dann gerufen, Fotos ihrer Kulturhauptstadt einzusenden. Inhaltlich soll es um Toleranz gehen (so die „Staatsraison“ nicht dazwischenkommt), um die Hohenzollern-Kultur, welche, so der CDU-Landtgasabgeordnete Wieland Niekisch als Gast der Veranstaltung, sogar Carmen Sylva alias Elisabeth zu Wied in Rumänien erreichen kann; um die Verbindung von Hoch- und Alltagskultur. Freilich sieht er zur Zeit, vielleicht vom Landtag aus, noch „zu viele Einwohner und zu wenig Bürger“. Er ist also dafür. Auch der neue Vorstand in öffentlicher Sitzung war ganz Ohr, zumal Björn O. Wiede wie nebenbei sagte, sollte Potsdam den Zuschlag bekommen, „dann nicht so, wie es heute aussieht“. Man denkt schon mal über die Große Fischerstraße nach, über den einstigen Hotelkomplex an der Alten Fahrt, und wie man Berlin integrieren könne: Hauptstadt zu Hauptstadt, wegen der inneren Nähe. Auch das „Leitprojekt Potsdamer Mitte“, sic, sei bereits fester Bestandteil der Bewerbung. Aber noch braucht es keine Verbindlichkeiten, noch darf man träumen, was „in“ ist in der Kultstadt Potsdam 2010, darin sich eine „Kulturbürgerschaft auf breiter Basis“ regt. Fides Mahrla jedenfalls stellte diese und weitere Ideen im gemäldebeladenen „Da Vinci" mit außergewöhnlichem Feuer dar. Schön, dass sich Menschen für Potsdam so engagieren, auch wenn ähnliche Glanzpunkte wie z.B. die Tausendjahrfeier weniger kultig endeten. Man könne nichts falsch machen: „Potsdam ist ja schon Kultur“. Sollte es, natürlich wider alle Erwartung, trotzdem nichts werden mit dem himmelsstürmenden Plan, tröstet man sich schon heute: „Der Weg ist das Ziel“. Einmal gestartete „Kulturprogramme" würden nicht ohne weiteres zurückgenommen werden. Peter Schultheiß, Vorsitzender des Ortsvorstandes Innenstadt/Nord, und die Seinen werden fortan mithelfen, damit Potsdam „die attraktive Stadt wird, die sie mal war“. Nichts zu verlieren, alles zu gewinnen, vorausgesetzt nur, dass der hausgemachte Kult auch 2010 noch „in“ ist.

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