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Kultur: Kunsthalle nicht allein selig machend

Thomas Strittmatter untersuchte die Situation der Freien Träger und fand festgefahrene Strukturen

Thomas Strittmatter untersuchte die Situation der Freien Träger und fand festgefahrene Strukturen Die „Förderstrukturen und Fördervolumina“ der Freien Träger in Potsdam untersuchte der freiberufliche Kulturberater Thomas Strittmatter in einer dreimonatigen Analyse. Den Auftrag dazu erhielt er vom Kulturausschuss der Stadtverordnetenversammlung. Inzwischen liegt die Analyse vor und wird zum Teil schon umgesetzt. Wie steht es um Potsdams freie Szene? Für mich ergab sich das Bild, dass sich in Potsdam nach der Wende eine freie Kulturszene etablierte, die weitgehend durch professionelle Angebote und gefestigte Strukturen gekennzeichnet ist. Mittlerweile sind diese Förderstrukturen aber teilweise erstarrt, überlastet und für neue innovative Angebote zu unflexibel. Durch die gewisse historische Zufälligkeit ihres Entstehens ist ein Ungleichgewicht in den Künsten entstanden. Worin besteht dieses Ungleichgewicht? Neben der musikalischen Schiene mit Kammerakademie, Nikolaisaal und Chorwesen gibt es mit dem T-Werk, der fabrik, der Stadt-Spiel-Truppe, dem Kabarett sowie Ton und Kirschen eine sehr starke Präsenz von Theater. Wie viel Musik und Theater kann sich eine Stadt aber leisten? Die Antwort steht mir nicht zu. Die Stadt muss selbst ihre Prioritäten setzen, zumal es noch zu einer geballten theatralischen Konzentration in der Schiffbauergasse kommen wird. Dadurch vermehren sich aber nicht die Anbieter. Das Zentrum für Kunst und Soziokultur wird aber der Leuchtturm sein. Wenn dann wieder Kürzungen ins Haus stehen, wird es sicher zuerst den Rest der freien Szene treffen. Gerade die kleinen Einrichtungen, die für den Tourismus keinen großen Stellenwert, aber für die Potsdamer selbst sehr wichtig sind, könnten dadurch vernachlässigt werden. Welche Probleme brachten Ihre Gespräche mit den freien Trägern noch zutage? Nach Theater und Musik kommt eine ganze Weile gar nichts und dann erst die Soziokultur. Aber auch da gibt es Verschiebungen. Ich sage, dass das Waschhaus tendenziell von seinem soziokulturellen Anspruch weggerückt ist und sich mehr und mehr zum professionell arbeitenden Veranstaltungshaus entwickelte. Das liegt aber nicht am Träger. Er wurde u.a. durch die Forderung nach ständiger Erhöhung des Eigenanteils dahin gedrängt. Ist das wieder umkehrbar? Das Waschhaus glaubt ja. Und dennoch wird es auch in Zukunft vor allem als kreativer Veranstalter wirksam sein, so wie die meisten großen soziokulturellen Einrichtungen in der Bundesrepublik. Insgesamt ist der soziokulturelle Sektor sehr schmal und zudem bedroht. Sie haben auch mit dem Beirat für kulturelle Projektentwicklung ihre Analyse diskutiert. Es stand dort ja auch der Vorwurf des Selbstbedienungsladens. Ich bin sehr dafür, genrestrukturelle Fachgremien zu entwickeln, wie sie ja schon für den Bereich Chorsinfonik bestanden haben und für die Bildende Kunst mittlerweile bestehen. Da ist ein Teil meiner Analyse bereits erhört worden. Solche Fachgremien können dann der Politik und Verwaltung helfen, künstlerische Leitlinien zu entwickeln. Was kann man gegen die Verfestigung von Strukturen tun? Ich empfehle, die institutionelle Förderung, wie sie bislang bestand, abzuschaffen und sie nur für die Schiffbauergasse zu belassen. Warum nur dort? Dort tätigt die Stadt Rieseninvestitionen. Da kann sie nicht wollen, dass die dortigen Kulturanbieter schlechte Programme machen. Sie sollten die Möglichkeit haben, sich noch besser zu profilieren. Die von der Politik gehegte Hoffnung, dass sich Anträge und Bewilligungsverfahren durch eine institutionelle Förderung vereinfachen würden, erwies sich als Trugschluss. Da immer wieder an den Etats genagt wird, mussten auch immer wieder neue Wirtschaftspläne aufgestellt werden: in Abstimmung mit Stadt und Land. Dieses Prozedere zog sich dann bis in die Mitte des Jahres hinein. Außerdem fraß die Förderbürokratie auch viel Zeit, die den Kulturanbietern für ihre eigentliche kreative Arbeit verloren ging. Wie flexibel können Förderstrukturen sein? Die Kriterien der Projektförderung sollten keinesfalls ein Korsett sein. Sie könnten auch mal für eine bestimmte Zeit eine institutionelle Förderung einschließen, um beispielsweise eine neue Einrichtung auf den Weg zu bringen. Bislang hatte sich die Stadt selbst beschränkt. Inzwischen gibt es aber Bewegung, zum Beispiel hinsichtlich der Deckungsfähigkeit der Haushaltstitel. Als ein Stiefkind sieht sich die Bildende Kunst in Potsdam. Ich halte sie durchaus für entwicklungsfähig. Viele scheinen aber die Kunsthalle als das Maß aller Dinge zu sehen. Da ist sicher nichts gegen einzuwenden, aber man sollte dabei nicht die dezentralen Ansätze der verschiedenen Kunstvereine übersehen. Und es gibt ja auch neue Ausstellungsmöglichkeiten, wie den Kutschstall. Es gibt sehr viel Potenziale, es ist aber noch nicht gelungen, sie konzeptionell zu bündeln. Daran versucht sich jetzt der Beirat für Bildende Kunst. Eine Kunsthalle kann man fordern, sie ist aber nicht das allein Seligmachende. Ihre Analyse lag sehr lange auf Eis, bevor sie nun gestern Abend dem Kulturausschuss vorgestellt wurde. Es standen noch bestimmte Entscheidungen zur Schiffbauergasse aus und dann gab es die Beiratsdiskussion mit dem Wunsch, Angaben zu konkretisieren. Einige meiner Vorschläge, wie die Bildung spezifischer Fachforen und die Neustrukturierung der Förderinstrumente, wurden mittlerweile ja schon angegangen. Ohne sie vorher im Kulturausschuss und in der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Wo gab es Differenzen? Etwas unterschiedliche Auffassungen gab es zur Kulturentwicklungsplanung. Nach meiner Meinung sollte sie die Ausgestaltung der Gesamtstruktur, also der Kulturangebote und Kulturorte in der gesamten Stadt und deren Vernetzung im Auge haben. Auch durch die Bewerbung um die Kulturhauptstadt 2010 gilt es, bislang unzusammenhängend entwickelte Kulturstrukturen stärker aufeinander zu beziehen.Das Gespräch führte Heidi Jäger.

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