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Kultur: Laut und uncharmant

Das Neujahrskonzert der Volkssolidarität mit dem Salon Orchester Berlin im Nikolaisaal

Wie der Zufall manchmal so spielt. Um bei der geplanten Abiturfeier für eine musikalische Überraschung zu sorgen, taten sich 1980 einige Abiturienten des Musik-Leistungskurses eines Gymnasiums in Berlin-Steglitz zusammen und studierten sich einige der damals hippen Hits ein. Über die Jahre entwickelte sich daraus das Salon Orchester Berlin. Variabel besetzt können sie diverse musikalische Wünsche von Veranstaltern erfüllen. Sie erwecken Omas und Opas alte Gassenhauer mit ihren frechen Texten zu neuem Leben. Doch auch witzige Ufa-Tonfilmmelodien, Schlager der Wirtschaftswunderzeit und anglo-amerikanische Bestseller gehören zum Repertoire. Als Swing-Combo im Bigbandsound bestritten die Musiker am Mittwochnachmittag mit solchem Mix das traditionelle Neujahrskonzert der Volkssolidarität im Nikolaisaal.

Vornehmlich ältere Semester erfreuen sich dabei an einem „Programm der guten Laune, des Frohsinns“, wie der Mann am Klavier und zugleich künstlerischer Leiter des Salon Orchesters Berlin, Christoph Sanft, dem Publikum verkündet. Doch dem Chefnamen macht die Truppe keine Ehre. Die Mikrofone aller Beteiligten werden so superlaut verstärkt, als gelte es die Riesenarena der O2-World zu beschallen. Doch so viele Schwerhörige, denen die presslufthämmernden Dezibels vielleicht hörhilfreich gewesen wären, waren erkennbar nicht im Saal. Spätestens beim Soundcheck, wenn er erfolgt wäre, hätten die Salonisten um die Folgen ihres Tuns wissen müssen. Die Folge der vollen Dröhnung: Das Abendpersonal kann sich vor Beschwerden der Malträtierten kaum retten, bittet die Tontechnik um Minderung der Lautstärke. Nach der Pause geht es tatsächlich etwas leiser zu, breitet sich beispielsweise im „Chim Chim Cheree“ aus „Mary Poppins“ eine Anmutung von Poesie aus.

Unter dem Motto „Das gibt’s nur einmal“ spult sich eine fünfundzwanzigfache Nummernfolge ab. Jeder Titel wird mit dem rhythmischen Anschlagen von Klanghölzern begonnen, gleichsam als dirigentisches Einsatzzeichen. Auch bei den Instrumentals wie einem zünftigen „Rag Twentyfive“ und dem klassischen Neujahrskonzertwalzer „Wiener Blut“. Von diesem Elixier scheint man dabei nicht genippt zu haben, und so klingt es auch: fern von Schmelz, Eleganz, Charme. Beim Begleiten der Gesangssolisten geht es etwas besser zu. Größtenteils handelt es sich um Melodien, deren ursprüngliche Interpreten gerade dieses Publikum immer noch im Ohr hat. Wie Hildegard Knefs „Von nun an ging’s bergab“, woraus Sängerin Susann Hülsmann leider nur eine schlechte Kopie der göttlichen Hilde macht, ohne je deren Zwischentöne treffen zu können. Ähnlich verhält es sich auch bei der Adaption von Trude Herrs „Ich will keine Schokolade“. Mit eigenem Stil zu glänzen bleibt auch Martin Stange verwehrt. In Beantwortung der Frage „Was macht der Maier am Himalaya?“ könnte man ihm antworten, dass er jenen Sound der Zwanziger- und Dreißigerjahre sucht, um den er und seine Partnerin sich solo oder im Duett vergeblich bemühen. Beide, die auch solche Titel des legendären Gespanns Hans Albers/Heinz Rühmann wie „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“ oder „Jawoll, meine Herr’n“ vortragen, wollen sich als Stimmungskanonen präsentieren, wirken dabei leider nur anbiederisch. Er kann nur forcieren, sie mit spröder Stimme blechern aus den Boxen tönen und sich bei den gemeinsamen Moderationen als Nervensäge erweisen. Peter Buske

Peter Buske

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