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Kultur: Leise Gewalt, fröhlicher Schrecken

Ionescos „Macbett“ als deutsch-schweizerische Arbeit beim Unidram-Festival

Ionescos „Macbett“ als deutsch-schweizerische Arbeit beim Unidram-Festival Von Dagmar Schnürer Einen weißen Reifrock trägt Macbett mit weißem Oberteil. Kindlich naiv breitet er vor den Verschwörern seine Königstreue aus: „Ich versuche, ihm ähnlich zu werden.“ Für Duncan will er kämpfen und ahnt nicht, dass er seinem König bald ähnlicher sein wird, als er je zu träumen wagte. Im Leben wie im Sterben. Eine Bowlingkugel rollt über die Podeste im Hintergrund, donnert bedrohlich die Stufen hinunter: die Schlacht hat begonnen. Gleich werden Macbett und Banco auf die Bühne geritten kommen (hinkender Hüpfschritt), um in strahlend weißen Kostümen und verbindlichem Tonfall von den Tausenden zu berichten, die sie geschlachtet haben. Von Blut wird in Pamela Dürrs Inszenierung des „Macbett“, die beim Unidram Festival zu sehen war, nur gesprochen. Doch die Zuschauenden haben alles gesehen, den Geköpften, den Verwundeten, das Schwert, triefend von frischem Blut. Weiße Schals wurden zu Mordinstrumenten, mit dem Mund erzeugte Geräusche ließen Atmosphäre entstehen. Der in Berlin lebenden Schweizerin Pamela Dürr ist eine ausdrucksstarke Version von Eugène Ionescos absurder Shakespearebearbeitung gelungen. Kleine leise Gesten erzählten von Gewalt, fröhlich hingeworfene Worte vom Schrecken absoluter Macht. Dem deutsch-schweizerischen Ensemble gelang es, die witzige Übersteigerung der Situationen und Posen und das meist starr nach vorne gerichtete Spiel mit Glaubwürdigkeit und Leben zu füllen. Alle Schauspielerinnen spielten Männer. Markus Mathis spielte die Königinnen. Nur Mark Fischer erschien meistens als Mann, mit beeindruckender Leibesfülle, von einer Rolle in die nächste schlüpfend. Doch statt sich männlich zu bewegen, verfiel Fanny Staffas König Duncan auf seinen Plateaustiefeln in ein nachgeahmtes Ladygehabe. Traf ihn der strenge Blick der Königin, versuchte Duncan, die gemessenen Schritte und Gesten eines Königs anzunehmen. Nur von Ferne beobachtete er die Schlacht, konnte seine Launen kaum beherrschen und verbreitete unbekümmert willkürlichen Tod. Eifrig strecken zwei Diener ihre voreinander gehaltenen und einen Bogen beschreibenden Hände um sein Haupt: der Lorbeerkranz, der jeder Bewegung des Königs folgt. Doch Duncan weiß: „Um mich herum sind nur habgierige Feinde und gefährliche Freunde.“ An die Brust der Gemahlin will er sich kuscheln, aber die verharrt in einer hochgereckten Winkpose. Eine verhärmte humorlose Lady voller Strenge, angewidert von dem unpassenden Verhalten ihres Gebieters. Kein Wunder, dass sie Macbett (Sanne Schnapp) anziehend findet, der die Schlacht gegen die Verschwörer für Duncan gewonnen hat. Doch im Wald begegnet Macbett den Hexen. Ein grüner Scheinwerfer wirft Schattenfiguren auf den hellen Vorhang hinter Macbett. Er zuckt zusammen und versucht, sich gegen die Versuchungen der über ihm schwebenden Schatten zu wehren. „Ich sehe den richtigen Weg und wähle den falschen,“ plappert er alsbald den Hexen nach. Macbett ermordet seinen König und heiratet dessen Frau. Dann tötet er Banco (Yangzom Brauen), seinen treuesten Gefährten. Und schließlich läuft er, als er sich umdreht und amüsiert seinen Lorbeerkranz zu einem auf ihn zu rückenden Wald werden sieht, in das Schwert des jugendlichen Rächers (Isabelle Stoffel),: „Scheiße,“ flüsterte Macbett und sank zu Boden. Stürmischer Applaus im vollen Saale des T-Werkes, auch für die anwesende Regisseurin.

Dagmar Schnürer

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