zum Hauptinhalt

Kultur: Marienvesper unter Kopien von Raffael

Katholische Musik setzt auch auf Ausdruck und Pracht, und manchen hat allein sie zum Konvertiten gemacht. Ob das bei dem Musikfestspiel-Auftritt des Orlando di Lasso Ensembles im Raffaelsaal der Sanssouci-Orangerie auch der Fall gewesen ist?

Katholische Musik setzt auch auf Ausdruck und Pracht, und manchen hat allein sie zum Konvertiten gemacht. Ob das bei dem Musikfestspiel-Auftritt des Orlando di Lasso Ensembles im Raffaelsaal der Sanssouci-Orangerie auch der Fall gewesen ist? Um den konzertanten Charakter der erstklassigen Präsentation der Marienvesper von Chiara Margarita Cozzolani (1602-um 1677) zu unterstreichen, hatten die Musikfestspiele bewusst auf einen Kirchenraum verzichtet – wie immer die Achillesferse bei geistlichen Konzerten: Was in seinen Finessen die Akustik von Klostermauern brauchte, gibt kein königlicher Galerieraum wider. Wie originär diese für Mariä Himmelfahrt komponierte Vesper–Messe im Stil Palestrinas nun ist, vermag unsereiner nicht zu sagen. Formal enthält sie teils Elemente des für jeden katholischen Gottesdienst obligaten „Ordinarium“ (Versiculus et Responsorium, die Psalmen 69, 109, 112, 121 und 126), teils folgte sie dem „Proprium“, Vorgaben für besondere Ereignisse des Kirchenjahres. Dazu gehören das zur Marienverehrung unentbehrliche „Ave maris stella“, Antiphone, ein Magnificat und mehrere kurze Concerti. Alles wie aus einem Guss, sehr weich, sehr feminin und ausgeglichen. Der Dirigent, Cembalist, Organist und Sänger Detlef Bratschke (Bremen) leitet das Ensemble im Geiste Orlandos seit den 90er Jahren. Mit Cozzolanis Marienvesper ist ihm ein großer Wurf gelungen. Historische Aufführungspraxis auf alten Instrumenten bürgen für einen mehr als noblen Ton. Hoch zu loben sind auch die acht Vokalisten. Solche klare, in allen Bewährungen sicheren und schönen Stimmen, egal ob sie als Solo (Regina Kabis, Sopran, Henning Kaiser, Tenor) oder in den elegant komponierten Besetzungen bis hin zum Oktett auftraten, hört man nicht oft. Jede Lage war doppelt (Ekkehard Abele/ Adolph Seidel, Bass/ Beat Duddeck, 2. Altus, Christian Mücke, 2. Tenor) besetzt, und nichts ist herauszuheben, wo alles gelobt werden muss. Man hatte für die etwa 90-minütige Aufführung zwar ein zügiges Tempo gewählt, aber den Sängern genügend Raum belassen, ihre stimmlichen Qualitäten auszuschöpfen. Die Vesper strahlte unterm großen Auferstehungsbilde Christi , einer Kopie nach Raffael,Ruhe, Schönheit, auch Spiritualität. Gerold Paul

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false