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Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD).

© Sebastian Gabsch

Interview | Kulturministerin Manja Schüle: „Museen müssen offen bleiben“

Die SPD-Politikerin über Pandemie, Energiekrise und den Universitätsstandort Cottbus.

Frau Schüle, eines Ihrer wichtigsten Projekte ist der Aufbau einer Universitätsmedizin in Cottbus. Wo stehen Sie da gerade?
Wie von der Expertenkommission empfohlen werden gerade die Detailkonzepte ausgearbeitet. Dabei sind wir absolut im Zeitplan. Wir haben vor zwei Wochen die Arbeitsgruppe „Studium und Lehre“ abschließen können. Und ich bin sehr, sehr froh, dass wir Ulrike Gutheil als Projektbeauftragte für den Aufbau der Universitätsmedizin gewonnen haben.

Wann rechnen Sie damit, dass Sie Ihr Konzept so weit ausgearbeitet haben, dass es in die bundesweiten Gremien geht?
Wir wollen den Wissenschaftsrat bis zum 31. März 2023 erreichen. Das ist ein ambitionierter Zeitplan. Aber ich bin optimistisch, dass wir das schaffen. Dann begutachtet der Wissenschaftsrat dieses Konzept. Das dauert in aller Regel ein Jahr. Bekommen wir grünes Licht, können wir durchstarten und den Aufbau der Hochschulmedizin umsetzen.

Für die Unimedizin in Cottbus erhalten Sie vom Bund eine Anschubfinanzierung. Wie geht das denn anschließend weiter? Und wie kriegen Sie das in Ihren Haushalt?
Wenn alles gut läuft, stellt der Bund bis 2038 Strukturstärkungsmittel für den Aufbau der Universitätsmedizin bereit, sowohl was die Forschung als auch was die Investitionen betrifft. Aber gerade was die Lehre betrifft, muss das Land natürlich finanzieren. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass der Aufbau der Universitätsmedizin nicht zu Lasten der bestehenden Hochschulen geht.

Trotzdem ist der Haushalt für Wissenschaft und Forschung und Kultur wie alle anderen Haushalte in diesem Land auch den Sparvorgaben der Finanzministerin unterworfen.
Die Gespräche laufen noch. Wir diskutieren gerade viel über Energie-Unabhängigkeit, aber auch die Herausforderungen des Klimawandels. Bei beidem kommt es darauf an, dass wir schnell zu Technologien kommen, die die erforderlichen Transformationen auch ermöglichen. Und das geht nur durch Investitionen in Wissenschaft, Forschung und Technologie. Anders werden wir da nicht hinkommen.

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Und die Kultur?
Wir haben in den vergangenen Jahren gemerkt, wie sehr wir öffentliche Räume brauchen. Die Pandemie, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die Auswirkungen des Klimawandels führen bei den Menschen dazu, dass sie sich austauschen wollen, dass sie zusammenkommen wollen, dass sie etwas anderes erleben wollen als Nachrichten, die sie verunsichern. Das kann eine wunderbare Ausstellung sein, aber auch ein großartiges Open-Air-Konzert oder ein sensationelles Theaterstück. Diese Räume müssen wir offenhalten. Mir ist jedenfalls nach zwei Jahren Corona-Pandemie sehr bewusst geworden, wie dringend wir diese Räume brauchen und wie sehr sie eigentlich gefehlt haben. Kultur ist eben kein Nice-to-have, sondern ein absolutes Must-have in unserer Gesellschaft.

Wie ist denn die Situation dieser Künstler heute?
Ich glaube, unsere Corona-Kulturhilfen, vor allem unsere unkomplizierten Mikrostipendien, haben vielen Künstlerinnen und Künstlern in der Zeit der Pandemie geholfen. Ich sehe viele Ausstellungen, künstlerische Schaffensprozesse, Bilder, Fotografien und Performances, die innerhalb der Pandemie entstanden sind und die mich sehr begeistern. Aber seien wir ehrlich: Das waren kurzfristige Hilfen. Ich glaube, wir sind gut beraten, wenn wir jetzt auch mal die soziale Situation von Künstlerinnen und Künstlern insgesamt unter die Lupe nehmen.

Was meinen Sie damit?
Künstlerinnen und Künstler haben keine glatten Erwerbsbiografien. Sie sind mal vier Wochen abhängig beschäftigt, haben dann wieder acht Wochen frei und setzen künstlerische Projekte um. Ihnen fehlt ein soziales Sicherungssystem, die Künstlersozialkasse allein reicht da nicht. Ich bin froh, dass wir uns in der Kulturministerkonferenz darauf verständigt haben, dass wir uns die Situation nun systematisch angucken.

Was wollen Sie da erreichen?
Wir erleben in Theatern und Konzerthäusern, dass die Besucherzahlen schwinden, vor allem im Vorverkauf und bei Dauerkarten. Die Leute gehen eher an die Abendkasse. Das macht es für Kultureinrichtungen aber schwierig zu planen. Künstlerinnen und Künstler brauchen Planungssicherheit und Verlässlichkeit. Aber nicht nur: Es geht auch um die Anerkennung ihrer Arbeit. Deswegen hoffe ich, dass die Spar- und Corona-Diskussionen, die derzeit geführt werden, nicht dazu führen, dass wir im Herbst wieder darüber entscheiden müssen, welche öffentlichen Räume offenbleiben dürfen. Und ich hoffe nicht, dass es wiederum die Kultur ist, die als erste einen Preis zahlen muss.

Museen und Galerien sollen also trotz Energiemangels offenbleiben?
Museen müssen sogar zwangsläufig offenbleiben. Denn viele Exponate brauchen besondere klimatische Bedingungen. Und mir fehlt jedes Verständnis, wenn ich in Interviews lese, dass Theater und Konzertsäle im Winter auch Wärmestuben sein könnten. Bei aller Wertschätzung – da arbeiten immer noch Menschen, die Theater spielen, die singen, die einer sehr herausfordernden und qualitativ hochwertigen Arbeit nachgehen. Unsere Theater, Konzertsäle, Kleinkunstbühnen, Museen, Galerien und Bibliotheken sind Orte der Kreativität, der Inspiration, der Experimentierfreude, des Austauschs, der Begegnung, des Zusammenhalts. Sie sind der Resonanzboden unserer Gesellschaft. Unsere Kultureinrichtungen sind wirklich vieles – aber keine Wärmestuben!

In der Energiestrategie 2040 und im Klimaplan des Landes geht es auch darum, mehr Solaranlagen auf märkische Dächer zu bekommen. Oft gibt es da ein Problem mit der Denkmalpflege: Dürfen Solarzellen auf geschützte Gebäude?
Wenn man weniger Gas, Öl und Kohle verbrennen will, um Umwelt und Klima zu schonen, muss man auch darüber nachdenken, ob es auch Solarpaneele auf Dächern von Kirchen oder Pfarrhäusern geben kann. Das fordern viele Kirchengemeinden. Wir überlegen derzeit im Denkmalbeirat und mit unseren Denkmalschutz-Experten, wie man Möglichkeiten finden kann, sowohl den Anforderungen des Denkmalschutzes als auch der erneuerbaren Energien gerecht zu werden.

Und wie soll das gehen?
Indem wir uns zum Beispiel schon mal von der Vorstellung verabschieden, Solarpaneele seien immer nur hässlich. Wir haben mittlerweile Hersteller, auch bei uns in Brandenburg, die die Paneele so herstellen können, dass sie wie historische Baustoffe aussehen. So kann man Lösungen finden, die dem Denkmalschutz und dem Ausbau regenerativer Energien Rechnung tragen.

Sie sind auch für die Kirchen im Land zuständig. Da gab es Rekordaustritte in diesem Jahr. Wie schauen Sie da drauf?
Meine zahlreichen Besuche im Land zeigen mir: Kirchen sind in vielen Orten längst wieder der Mittelpunkt des Dorfes. Wenn es keine Dorfkneipe und kein Bürgerhaus mehr gibt, wo die Menschen zusammenkommen können, bieten mittlerweile die Kirchen, wonach die Menschen suchen: Gemeinschaft, auch unabhängig vom Glaubensbekenntnis. Das schlägt sich nicht unbedingt in den Mitgliederzahlen nieder – zeigt aber, welche Kraft von den Kirchen bis heute ausgeht.

Ein Thema, mit dem Sie bald zu tun haben könnten, sind die Staatsleistungen an die Kirchen. Die Berliner Regierungskoalition will über Grundsätze zu deren Ablösung nachdenken.
Wir denken ebenfalls darüber nach. Das Bundesinnenministerium hat eine Arbeitsgruppe mit den Bundesländern und den Kirchen eingerichtet, die die Fragen identifiziert und erörtert, die im Zusammenhang mit der Ablösung der Staatsleistungen stehen. Wir rechnen mit ersten Ergebnissen gegen Ende des Jahres.

Das Gespräch führte Benjamin Lassiwe.

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