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Kultur: Nicht immer reicht der erste Blick

Die Kölner Band „Erdmöbel“ mit ihrer Sprachakrobatik im Waschhaus

Die Kölner Band „Erdmöbel“ mit ihrer Sprachakrobatik im Waschhaus Die Hand kann sich nicht recht entscheiden, ob sie ans Mikro greifen soll oder die Saiten zupfen. Wie elektrisiert steht Sänger und Texter Markus Berges auf der Bühne und schüttelt seine Texte ins Publikum. „Erdmöbel“, – die einstige DDR-Umschreibung für Sarg – nennt der Kölner seine Band, mit der er Montagabend ins Waschhaus kam. Pseudo-Intellektuelle, Sprachquäler – auf den ersten Blick könnte man den fünf Musikern vieles andichten. In Hemd und Kragen stehen sie auf der Bühne, irgendwo zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr, und trinken nur Wasser. Erdmöbel dichten von jedem Klischeevorwurf, unbeirrbar, ihr neues Album trägt den Titel „Für die nicht wissen wie“. Im gleichnamigen Lied heißt es: „Dieses Lied ist für die/die, die nicht wissen wie/oder wer sind die/für die dieses Lied ist“. Alles klar? Was wie eine wahllose Wörtersammlung wirkt und zum Teil an die Band Keimzeit erinnert, ist das Ergebnis von Markus Berges intensiver Auseinandersetzung mit Sprache. Er ist ein Wortsammler, aber kein wahlloser. „Am Arsch Welt, kannst du mich kaputtschlagen“ stand auf einer Wand in Dortmund. Jetzt ist dies der Titel eines ihrer flotten Easy-Listening Songs in dem es um die Liebe geht. Orientiert an Burt Bacharachs scheuen sie sich auf ihrem neuen Album nicht vor Coverversionen. Aus dem Riesenhit der Carpenters von 1970, „Close to you“, wurde bei Erdmöbel „Nah bei dir“. Das Publikum singt bei der Zugabe begeistert mit. Seit 1995 gibt es Erdmöbel. In diesem Jahr sind sie mit der Gastposaunistin Gabriela Rosenberg auf Tour. Den Kern der Band bilden Markus Berges, Schlagzeuger Chris deWueb und Pianist Wolfgang Proppe. Mit dabei ist auch Produzent Ekimas, der in diesem Jahr den Bass zupft. So liefern sie am Montagabend weit mehr als nur die musikalische Untermalung für Berges Texte. Elektronische Grundrhythmen werden von Schlagzeuger Chris aufgenommen und gefühlvoll mit kleinen Wirbeln auf den Becken begleitet. Jeder Ton scheint hier geplant. Jeder Musiker hat seine kleinen, simplen Melodien, die sich im gemeinsamen Spiel bestens ergänzen. Mit manchmal dreiminütigen Intros bereiten sie das Publikum auf ihre Lieder vor. Es gilt, die Ohren zu spitzen, um nicht ein Quäntchen Ton oder Sprache zu verpassen, da alles eine Bedeutung haben könnte. Im zum Teil sitzenden Publikum im halb vollen Waschhaus sah man viele nachdenkliche Gesichter. Bei den atemlosen Pausen zwischen den Gesangsparts bei „Lied über nichts“ zeigt sich, wie sehr das Publikum an den Lippen Markus Berges hing. Pseudo-Intellektuell? „Manchmal muss es mehr sein als ein erster Blick“, sagt ein Erdmöbel-Fan nach dem Konzert. Philipp Rothmann

Philipp Rothmann

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