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Kultur: Nicht nur schöne Stimmen

Gesangspreisträger 2004 im Nikolaisaal

Gesangspreisträger 2004 im Nikolaisaal O sole mio – Tenöre sind und bleiben rar. Selbst der 33. Jahrgang des im November vergangenen Jahres absolvierten Bundeswettbewerbs Gesang Berlin fand keinen diesbezüglichen Fachvertreter, der es bis ins Finale schaffte. O mamma mia. An Sopranen und Mezzosopranen herrschte dagegen, wie so häufig, kein Mangel. Auch dies ein Spiegelbild dessen, wie es um den heimischen Nachwuchs für Musiktheater und Konzerte und seine diesbezügliche Ausbildung bestellt ist. Zur Ehrenrettung der Mannsbilder sei vermerkt, dass erneut die Baritone in die Bresche sprangen und sich die Hälfte der sechs Preise ersangen. Wie beispielsweise der 25-jährige Tobias Berndt aus Leipzig, der dem „Schöne Stimmen“-Konzert mit Preisträgern des Bundeswettbewerbs Gesang, innerhalb der Nikolaisaal-Reihe „Stunde der Musik" im Foyer dargeboten, die Krone aufsetzte. Beeindruckend die technisch grundsolide Basis seines lyrischen Baritons, seine exzellente Musikalität. Was bei dem ehemaligen Kruzianer natürlich kein Wunder ist. Als Erster Knabe in Mozarts „Zauberflöte“ gewann er sich an Dresdens Semperoper und Berlins Komischer Oper erste Bühnenerfahrungen. Zu seinen Lehrern und Mentoren gehören Hermann Christian Polster und Theo Adam. Von ihnen hat er viel von sinnerfüllter Deklamation, lebendigem Vortrag und dergleichen Gestaltungsfinessen gelernt. Eine gute Mitgift für die bevorstehende Karriere. Seine offene und klar tönende Stimme vermag dabei, Lyrisches und Kraftvolles in eine gute Balance zu bringen. Ob in der Arie „Ja, ich kann die Feinde schlagen“ aus der Bach-Kantate „Selig ist der Mann“ BWV 57, dem Schubert-Lied „Im Frühling“, der Brahms-Poesie „Wie rafft ich mich auf“ oder der Arie „Es ist genug“ aus dem „Elias“-Oratorium von Felix Mendelssohn Bartholdy – stets lässt der von Sonja Lohmiller am Flügel begleitete, ganz natürlich gestaltende Sänger in seine Seele blicken. Seiner sicheren Höhe steht eine ausgeprägte Tiefe zur Seite, und in der Mittellage richtet er ebenfalls alles zum Besten. Nur für den hochdramatischen Ton der Schumannschen „Belsatzar“-Ballade mangelt es ihm (noch) an unforcierter Durchschlagskraft. Ganz in seinem Element ist er dagegen in Wolframs lyrischem „Lied an den Abendstern“ aus Richard Wagners „Tannhäuser“. Noch nicht ganz zu sich gefunden hat dagegen die 25jährige Mezzosopranistin Ulrike Mayer aus Magdeburg, die beim Bundeswettbewerb Gesang einen Sonderpreis der Franz-Grothe-Stiftung erhalten hatte. Auch sie erwarb sich bereits erste Bühnenerfahrungen, u. a. bei der Kammeroper Schloss Rheinsberg. In der „Stunde der Musik“ singt sie zunächst Brahms-Lieder, die durch zu zurückhaltenden Vortrag ziemlich gleichförmig wirken. Die seelischen Erschütterungen vermitteln sich durch das Spiel von Philip Meyers (Klavier), nicht in der Sängerin Stimme oder Mienenspiel. Ihre unausgeglichene Mittellage ist auch dem Vortrag von Opernarien nicht sonderlich dienlich. Verzierungen in der Trauerbekundung „Che farò senza Euridice“ aus Glucks „Orfeo ed Euridice“ erweisen sich eher als Fremdkörper denn als affektgebotene Notwendigkeit. Gleiche Stimmfärbung hält sie auch für die Beiträge aus Händels „Hercules“ und Mozarts „Cosi fan tutte“ parat. Dass der Pianist Philip Meyers ein exquisiter, weil klangfarblich raffinierter Mitgestalter sein kann, beweist er bei der Assistenz der 30-jährigen Sopranistin Tina Scherer aus Düsseldorf (2. Preisträgerin). Er kann anpassungsgeschmeidig tastatieren, zart grundieren, kräftig zulangen und mannigfaltige Akzente setzen, die den Zyklus von Zehn Liedern op. 29 von Samuel Barber zu einem Kompendium der Gefühle werden lassen. Dieser Vorgabe sucht die Sängerin mit natürlicher Gestaltung zu entsprechen. Doch ihre Stimme erweist sich an diesem Abend als nicht sehr ausgeglichen. Bei längeren Aufenthalten in Höhensphären hat sie leider die Stimmbänder nicht im Griff, findet zu keiner ebenmäßigen, konturenfesten Linie. In Mozarts Konzertarie „Misera dove son“ KV 369 müht sie sich um dramatische Verzweiflung, die ihr, mit Verve vorgetragen, auch auszudrücken gelingt.Peter Buske

Peter Buske

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