zum Hauptinhalt
Die Israelische Choreografin Adi Weinberg probt für die Uraufführung „If the bull won’t come“ in der fabrik Potsdam.

© Andreas Klaer

Nichts ist festgelegt, alles ist frei : Eine Begegnung mit der Tänzerin Adi Weinberg

Die israelische Choreografin zeigt in Potsdam „If the bull won’t come“. Nebenbei unterrichtet sie eine besondere Bewegungssprache: „Gaga“.

Von Alicia Rust

Ein sonniger Novembermorgen im Studiohaus der fabrik. Ein Dutzend Männer und Frauen Weit kreisen mit ihren Armen, dabei drehen sie sich wie Derwische im Kreis. Irgendwann wird die meditative Atmosphäre durch ein befreites Lachen abgelöst. Denn was so anmutig aussieht, kann mitunter ganz schön anstrengend sein. Und es erfordert einiges an Körperbeherrschung. Zum Abschluss gibt es Applaus. Applaus für die Tanztrainerin Adi Weinberg.

Wenn die israelische Choreografin Adi Weinberg im Kreis ihrer Kursteilnehmer steht, ermutigt sie diese auf eine ruhige und dennoch mitreißende Weise. Es gehe darum, die eigenen Bewegungsabläufe zu erkunden, erklärt sie auf Englisch. Darum, in den fließenden Bewegungen die Mitte zu finden. Den eigenen Körper und dessen Grenzen zur Umwelt auszuloten.

Mädchenhaft, stark, sanft, mutig oder wütend. Adi Weinberg probt für ihr neues Stück, in dem es um verschiedene Facetten der Weiblichkeit geht.
Mädchenhaft, stark, sanft, mutig oder wütend. Adi Weinberg probt für ihr neues Stück, in dem es um verschiedene Facetten der Weiblichkeit geht.

© Foto: Andreas Klaer

Eine neue Bewegungssprache aus Israel

Die rund zehn Männer und Frauen im Studio4 der fabrik Potsdam haben sich auf „Gaga“ eingelassen, eine besondere Bewegungssprache, die inzwischen auch etliche Anhänger in Potsdam und Berlin gefunden hat. Ins Leben gerufen wurde die Bewegungsform im Jahr 2003 von Ohad Naharin, dem künstlerischen Leiter der Batsheva Dance Company Israel. Sie darf nur von zertifizierten Trainern unterrichtet werden. Rund eine Stunde lang kommen die Teilnehmer nicht einen Moment zum Stillstand. Danach geht es darum, wieder Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen.

Adi Weinberg ist nicht nur Trainerin, sondern auch Choreografin. Die Kurse, die sie gibt, dienen ihr durchaus auch selbst mal als Gedankenstütze, berichtet sie. Als Training und zur Inspiration. „Gaga ist wie ein Labor fürs Tanzen“, sagt die zierliche Frau. Nichts sei festgelegt, alles sei frei - und könne nach Belieben ausprobiert und interpretiert werden. Im Moment arbeitet die 37-jährige fieberhaft auf ihren bevorstehenden Auftritt hin. „If the Bull won’t come“ heißt ihr neues Stück. Ein Tanzsolo, das am 18. November in der fabrik Potsdam uraufgeführt wird. Eine Weltpremiere in Potsdam.

Der große Auftritt

Die Bühne wird sie zu Beginn in hochhackigen Schuhen betreten, sie wird eine auberginefarbene Kombination tragen. Viel mehr will sie vorab noch nicht verraten. Weinberg spielt in „If the Bull won’t come“ mit den verschiedenen Facetten der Weiblichkeit. Mädchenhaft, stark, sanft, mutig oder wütend. „Ich denke meine Stücke sind sehr expressiv“, sagt die Tänzerin. Am Ende wird dennoch immer eine Geschichte erzählt.

Meine Bewegungen, mein Tanz, das ist die Sprache, mit der ich meinen Mitmenschen am liebsten begegne.

Adi Weinberg

Im Fall von „If the Bull won’t come“ ist es die Geschichte einer Frau im Wandel. Herausgeschält aus dem Alltag, wird sie mit einer Begegnung konfrontiert, die sie nicht erwartet hat. Mit sich selbst! Die unterschiedlichen Facetten ihrer eigenen Persönlichkeit wechseln einander fortlaufend ab. Harmonische Erfahrungen werden mit destruktiven konfrontiert. Und umgekehrt.

Das Stück sei eine sehr persönliche Interpretation der mythologischen Figur von Pasiphae, die zweimal verflucht wurde. Die den Ausbruch aus sozial oder kulturell vorgegebenen Rollen wagte, weil sie sich in einen Stier verliebte und mit ihm den Minotaurus – ein Wesen mit menschlichem Körper und Stierkopf – zeugte. Weinberg thematisiert im Tanz den Bruch mit Konventionen. Vermittelt Freude wie Leid. Nähe wie Distanz. „Tanz ist nicht nur eine Form des Ausdrucks. Tanz kann auch verbinden und heilen.“

Alles dreht sich um den Tanz

Wann hat die Begeisterung für den Tanz bei ihr angefangen? „Schon sehr früh, als ich ungefähr drei Jahre alt war“, sagt Weinberg. Bereits als kleines Mädchen habe sie bemerkt, dass sie sich durch den Tanz weitaus besser auszudrücken vermochte, als nur mit Hilfe der Sprache. Einen Tanzkurs nach dem anderen habe sie besucht, neben dem zeitgenössischen und modernen Tanz erlernte sie über viele Jahre auch das klassische Ballett. Ihre eigentliche Ausbildung absolvierte sie schließlich am Haifa Program for Professional Dancers, lernte an der Jerusalem Academy of Music and Dance und bei der Vertigo Dance Company.

Seither ist sie bei etlichen Festivals weltweit aufgetreten. Sie hat zeitweise in Warschau gelebt hat, hat die USA bereist, in Israel leben ihre Eltern und ihr Bruder. Jetzt wohnt sie in Deutschland. Wo auch immer sie ist: Ihre Arbeit werde überall verstanden. Wenn wir mit uns selber und unseren Körpern verbunden seien, wachse auch das Bewusstsein für unsere Umwelt, sagt Adi Weinberg. Für unser Gegenüber. „Meine Bewegungen, mein Tanz, das ist auch heute noch die Sprache, mit der ich meinen Mitmenschen am liebsten begegne.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false