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Kultur: Noch einmal davongekommen ... Havarie-Premiere von „liebe kommt“ im T-Werk

Sind die 14-jährige Nina und ihr ein Jahr älterer Freund Branko beim Happy end nur wieder zusammengekommen, weil sie gegen alle Erwartung beim „ersten Mal“ doch nicht schwanger wurde? Das neue Theaterstück von Ingrid Ollrogge und Günter Jankowiak verriet es dem begeisterten Publikum bei der freitäglichen Uraufführung im T-Werk nicht.

Sind die 14-jährige Nina und ihr ein Jahr älterer Freund Branko beim Happy end nur wieder zusammengekommen, weil sie gegen alle Erwartung beim „ersten Mal“ doch nicht schwanger wurde? Das neue Theaterstück von Ingrid Ollrogge und Günter Jankowiak verriet es dem begeisterten Publikum bei der freitäglichen Uraufführung im T-Werk nicht. Zwar wird in meist umständlichen und kaum phantasievollen Bildern das Vorher und Nachher des scheinbar glücklichen Pärchens geschildert, den Kern vom Buttergeschäft, theatralisch Konflikt genannt, aber lässt das Theater „Havarie“ einfach weg. Der 110-Minüter „liebe kommt“ erhebt einerseits Anspruch, für Leute von 11, 41 und gar 71 Jahren gültig zu sein, andererseits verspricht er Aussagen „über leise Irrungen, laute Wirrungen und die Liebe“ selbst. Zu diesem hohen Zwecke wird eine Story voller Klischees konstruiert: Opa Gustav fühlt sich von seinem 41-jährigen Sohn in ein Seniorenheim abgeschoben, wo ihn allein sein Enkel Branko besucht. Dort, wo sich die zänkische Hauptschwester Linda erlauben kann, die „zahlende Kundschaft“ bei Nichtgehorsam mit Rausschmiss zu bedrohen, findet Opa in der Frau Schneider seine zweite und späte Liebe. Auch bei den blutjungen Schülern bahnt sich etwas Zagendes an, was hübsch gemeint und gut gemacht ist – angeblich Liebe, die ja so oft mit Begehren verwechselt wird. Kommt Branko mit Nina nicht weiter, geht er zum Opa, indes sie mit einer sorgend-gestressten Mutter geplagt ist, alleinerziehend, versteht sich. Brankos Eltern aber sind, wer glaubte das, nach 18 Ehejahren noch immer sehr mit sich beschäftigt, keine Zeit für den herangewachsenen Sohn. Dann gibt es in der etwas drögen Szenenfolge noch den Hund Eddy, der ein flinkes tete à tete mit Artgenossin Glöckchen im Busche versuchte, sehr hübsch und einfallsreich dargestellt – von wem, wird leider nicht mitgeteilt, nur dass Ina Gercke, Liz Hencke, Thorsten Junge, Mandy Rudski und Chris Urwyler als Akteure dieser Off-Bühne spielten. Sie taten es in der Regie (Ingrid Ollrogge) ohne doppelten Boden direkt, kein Untertext also. Die Anlage der viel zu langen Inszenierung wirkte schwerfällig, lehrhaft und unökonomisch, auch für die kürzeste Szene wurde die Bühne (Daniele Drobny) noch einmal umgebaut. Offenbar hatte man weder Mut, dieses Ding auf eine zumutbare Länge zu kürzen, noch vertrauten die Autoren der Vorstellungskraft ihres Publikums. Man wollte alles erklären: Die seufzende Sorge von Ninas Mutter beim Schwangerschafts-Verdacht der Tochter, der Streit von Brankos (natürlich den soziologischen Rollentausch übenden) Eltern, wer den Sohn nun „aufklären“ sollte, obwohl dessen „erstes Mal“ bereits hinter ihm lag. Schlafmützen! Eddy war die kunstvollste Figur des Abends, obwohl ihm im Fall einer Deckung von Glöckchen sogar Kastration angedroht wurde! Vor allem hat das im Wissen der Elterngeneration geschriebene Stück „der Jugend“ gar nichts zu sagen. Es schildert, aber bildet keine Leute. Wo war nun der Konflikt im ungefilterten Stoff dieses Abends? In der Vermutung, ein Kind zu bekommen, trennt sich Nina sofort von Branko, der überhaupt nichts kapiert. Gustav rät zum Schwangerschaftstest aus der Apotheke – und siehe, in dem Moment, wo er und Oma Schneider gegen den Willen des schwäbelnden Schwesternklischees ein gemeinsames Zimmer beziehen, bringt die unerklärt wiedervereinigte Jugend Nachricht, dass es nun doch nichts war mit der Gravidität. Noch mal davongekommen. Alle strahlen und freuen sich, worüber bitte? Sollte das die „message“ eines von vielen Ministerien und ausgerechnet dem „Großen Waisenhaus“ geförderten Theaterprojektes an die Jungen sein? Im Notfall gibt es ja „Babyklappen“, anonyme Geburten und Projekttage nach einer „Havarie“, z.B. „Hinterher ist man immer schlauer“. Da kann wirklich nichts mehr schiefgehen, wenn die Liebe kommt. Gerold Paul

Gerold Paul

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