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Kultur: Pipi und Popo in der Vorstadt Heute Büchner-Stück

an der Comédie Soleil

Recht zauberhaft ging es am Donnerstag Nachmittag auf der Bühne der Comédie Soleil zu: Detlef Brand als unterbehoster König Peter vom Lande Popo trug eine riesige Goldkrone, an welcher noch das Preisschild baumelte, Nadja Winter, Prinzessin des Landes Pipi, seufzte als Lena im langen Weißen schwer an Liebe und Empfindsamkeit, ein sehr kraftvoller Valerio (Michael Klemm) hatte viel Mühe, den Werther-süchtigen Ensembleneuling Markus Wechsler (Leonce) von der größten Sehnsucht seines Lebens, dem Selbstmord, abzuhalten.

Erste Kostümprobe zum wohl schönsten Büchner-Stück, „Leonce und Lena“, vor der Premiere heute Abend. Man konnte der konzentrierten Arbeitssituation nicht unbedingt entnehmen, wie frustriert die um einige Gäste erweiterte Soleil-Mannschaft wohl gewesen sein muss, wenn auf vierzig elektronische Einladungen zum Presse-Schnupper-Termin nur einer reagierte, wie auch früher schon. Manchmal sind es ja wunderliche Capricen: Michael Klemm wuchs in Nachbarschaft zu Büchners Geburtsort bei Darmstadt auf, er liebt diesen Mann, obwohl er den Krieg in die Paläste von damals tragen wollte. Er mag seine Sprache, welche jedem Darsteller besonders viel abverlange – aber auch die „revolutionäre“ Romantik, wie sie gerade in diesem 1836 entstandenen Lustspiel steckt – eine ätzende Satire auf die „Verderbtheit des deutschen Adels“ und seine unsagbare Langeweile.

Klemm hat Büchner (1813-1837) bereits mehrfach inszeniert, „Leonce und Lena“ sogar einmal verfilmt. Vielleicht könnte man dies Werk im Rahmen der von Eckhard Becker neu aufgelegten „Montag-Reihe“ sehen? Ab Mai bietet das Soleil zweimal monatlich Lesungen neuer Stücke an, um sie gemeinsam mit dem Publikum auf Bühnentauglichkeit zu testen. „Ecke“ selbst eröffnet mit seinem Rudi-Schuricke-Text am 7. des Wonnemonds.

Doch zurück zu Georg Büchner. Er ließ sich heftigst von den aufrührerischen Franzosen entflammen, gründete die „Gesellschaft der Menschenrechte“ und glaubte, im Gegensatz von Arm und Reich sei das Übel aller Welt begründet, wogegen er mit allen Mitteln ankämpfen müsse: „Wenn in unserer Zeit etwas helfen soll, so ist es Gewalt“, schrieb er 1833. Doch es kam anders, bereits mit 25 Jahren war sein sturmbrausendes Leben aus. Langeweile, Spaßgesellschaft, Reichenhass – man staunt, wie aktuell sich dieser sprachlich anspruchsvolle Text dem Rezipienten präsentiert.

Michael Klemm inszeniert das erst 1885 uraufgeführte Stück in historischer Kostümierung, achtet auf Breaks und auf den schauspielerischen Ausdruck der Zunge, auf Übergänge beim Licht, nicht zuletzt mit einem freundschaftlichen Blick zu Roberto Russo, seines Zeichens Berufs-Tangospieler, welcher mit seinem Bandonion zur gewohntkultivierten Soleil-Atmosphäre die richtigen Klänge dazugeben wird. Mit Markus Wechsler, Romeo Riemer und weiteren Darstellern wird man neuen Gesichtern begegnen, vorerst in dieser Produktion. Möge alles gelingen, denn alle bisher gesehenen Comédie-Inszenierungen zeichnet eines aus – „Tendenz-Theater“ nie gewesen zu sein. Gerold Paul

Premiere heute 20 Uhr; morgen 17 Uhr in der Feuerbachstraße 3.

Gerold Paul

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