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Kultur: Pralinés in Goldfolie

Musikfestspiele: Hesperion XX1 im Raffaelsaal

Musikfestspiele: Hesperion XX1 im Raffaelsaal Der Anblick verblüfft: Die Sängerin Montserrat Figueras scheint direkt dem goldgerahmten Gemälde entstiegen zu sein, das hinter ihr hängt. Perfekt stimmen die türkisblaue Farbe und der lose Fall ihres Gewands mit der monumentalen Auferstehungs-Szenerie im rotseidenen tapezierten Raffaelsaal in der Orangerie im Park Sanssouci überein. Das ist wohl kein Zufall, denn der gesamte Auftritt von Hesperion XXI beim Musikfestival wird gefilmt. Auch musikalisch stand das Konzert des renommierten Ensembles für alte Musik aus Katalonien ganz im Zeichen von Pose und Dekor. Wenngleich das Publikum in dieser pikfeinen Inszenierung eigentlich eher die Staffage bildete, beteiligte es sich intensiv und spendete am Ende anhaltenden Beifall. Im Grunde war dies weniger ein Konzert als das Zitat eines Zitats eines Konzerts. Hesperion XXI, eines der ältesten Ensembles für alte Musik, behauptet sich seit 30 Jahren erfolgreich auf dem Markt. Gegründet wurde es 1974 von Jordi Savall, Cellist und Viola da Gamba-Spieler, und von seiner Ehefrau Montserrat Figueras, die mit einer prachtvollen Sopranstimme gesegnet ist. Zum Unternehmen gehört inzwischen auch Tochter Arianna Savall, eine begabte Harfenistin und Sängerin. Den Potsdamer Auftritt komplettierten Rolf Lislevand auf Theorbe und Gitarre sowie Perkussionist Pedro Estevan, der allein schon mit seinem immensen grauen Haupt- und Barthaarwuchs Aufsehen erregte. Ebenso formvollendet wie die Auf- und Abgänge zelebrierte Hesperion XXI die musikalische Darbietung. Jedes Stück, sei es das schlichteste „Villancico“-Lied oder der volkstümlichste Tanz, wie „Canario“ oder „Tarantela“, wurde auf dem Silbertablett mit Spitzen-Handschuhen dargeboten. Makellos dekorativ ziehen die Piècen vorüber, hochfein klingen die Saiten von Harfe und Gitarre, edelbitter klagt die Viola da Gamba, düster dröhnt die Pauke, hell keckern die Kastagnetten, zierlich klingelt das Glöckchen. Jedes Stück wirkt wie eine auf Hochglanz retuschierte Szene aus dem barocken Spanien, die den Hörer von einer heilen Welt träumen lässt. Auch der Gesang von Montserrat Figueras hat das Stadium des perfekten Ornaments erreicht, ja, er gehört unwandelbar zur „Corporate Identity“ von Hesperion XXI. Immer noch von eindrucksvoller Anmut, „halb Madonna, halb Zauberin“ wie ein französischer Rezensent bemerkte, singt Figueras bemerkenswert unwandelbar, exerziert stets dieselbe vokale Manier, eine Mischung aus Seufzern, leichtem Tremolo und permanentem Chiarooscuro des Klangs. Da wundert es nicht, dass das Lamento über den Tod Jesu genauso klingt wie die Ciacona über die Leier der Liebe und wie das hebräische Wiegenlied. Hesperion XXI im Raffaelsaal in Sanssouci, bemerkenswerterweise dort, wo zahlreiche Kopien von Gemälden des begnadeten Renaissancemalers hängen, war wie edelherbe Pralinés in Goldfolie mit Zellophan umwickelt und mit Satinschleifen geschmückt - mehr Verpackung als Inhalt. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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