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Kultur: Rank und schlank

Sinfonisches Saisonfinale mit dem Staatsorchester

„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“, launig sucht Dirigent Heribert Beissel den Grund zur Programmumstellung beim sinfonischen Saisonfinale der Nikolaisaal-Reihe zu benennen. Vielleicht ist“s der Vorsatz, vom Schweren zum Leichten, vom Ernsten zum Heiteren vorzudringen?! Folgerichtig legt sich das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt zunächst die Noten von Bela Bartoks „Konzert für Orchester“ auf die Pulte.

Dabei scheint das Podium fast aus den Nähten zu platzen. Doch trotz des großen Aufgebots spielen die Musiker keinesfalls kompakt und undifferenziert, sondern halten das sinfonische Orchesterwerk ganz leicht und luftig, erstaunlich transparent, klangschön und geschmeidig. Aus langsamer und schwermütiger „Introduzione“ erwächst kontrastberstende Größe, bei der es erfreulicherweise weiterhin schön schlank und rank bleibt. Feinnervigkeit und Eleganz des Musizierens überraschen auch in den nachfolgenden Sätzen. Da wetteifern im Satz „Giuco delle coppie“ virtuose Bläserpaarungen kapriziös mit den Streichern, verkündet ein Bläserchoral geradezu hymnisch das Erscheinen himmlischer Heerscharen, assistiert von unentwegten Einwürfen der kleinen Trommel. Mit Harfenglissandi und Zutaten der Piccoloflöte bricht in der „Elegia“ geradezu jene bedrückende „Tränensee“-Atmosphäre aus Bartoks Oper „Herzog Blaubarts Burg“ auf, die sich ruhevoll in gelöster Spannung ausbreitet. Dann heizt sich die Klage dramatisch auf, fällt in sich zusammen. Dieses Auf und Ab, diese klanglich filigrane Zerbrechlichkeit wird von den Frankfurter Musikern vorzüglich nachvollzogen. Dass sie dabei mit einer Pianissimokultur vom Feinsten aufwarten, beweist ihre oberligareife Spielklasse. Die Operettengroteske im Intermezzo interrotto spielen sie kräftig zulangend aus. Und immer wieder führt Beissel mit seiner bestens aufgelegten Mannschaft Orchesterbrillanz vor. Das Prestofinale lebt davon, indem sie kraftstrotzend jene Lebensbejahung vorführen, mit der der leukämiekranke Komponist seinem nahenden Ende vergeblich trotzte.

Folgerichtig erklingt nach der Pause die als „Pastorale“ in die Musikgeschichte eingegangene 6. Sinfonie F-Dur op. 68 von Ludwig van Beethoven. Aus Frankfurter Sicht werden nicht nur dem „Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande“ weitgehend burschikose Züge abgewonnen. Mit kräftigen Pinselstrichen, aber durchaus detailgenau wird an pittoresker Klangmalerei genauso wenig gespart wie an tonmalerischen Effekten. Für“s liedhafte Andante (der „Szene am Bach“ mit ihren Imitationen von Nachtigall, Wachtel und Kuckuck) und den danksagenden Hirtengesang nach „Gewitter und Sturm“ wären durchaus mehr Innigkeit, „singendes“ bis spannungsreicheres Schwelgen und eine Spur mehr Glanz durchaus angemessen gewesen. Zupackend zeigte sich das „Lustige Zusammensein der Landleute“. Nahezu bühnengerecht vollzog sich der Übergang zu den hereinbrechenden Naturgewalten und zu den „frohen und dankbaren Gefühlen“ danach. Dann prasselte der Beifall als weiteres Elementarereignis. Peter Buske

Peter Buske

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