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Kultur: Rasante Klänge aus der Steppe

Die kasachische Staatsphilharmonie Astana startete im Nikolaisaal ihre Deutschlandtournee

Neugierige und offene Ohren waren gefragt, als die 1998 gegründete Staatsphilharmonie aus Kasachstans neuer Hauptstadt Astana (früher Zelinograd) zu Beginn ihrer ersten Deutschlandtournee im leider nur sehr mäßig besuchten Nikolaisaal auftrat.

Mit ihrem Programm verhießen die Musiker aus der 500 000 Einwohner zählenden Metropole „Musikalische Entdeckungen zwischen Kaspischem Meer und Altai-Gebirge“. Diese bewegten sich im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne, wobei das Melodienselige und Gefühlsintensive die Oberhand behält. Die Ohren können in Klangwonnen baden. Verschreckt werden sie mitunter durch Fortissimo-Ausbrüche des aus Astana angereisten 85-köpfigen (Teil-)Orchesters, das sich 1999 aus Absolventen des Konservatoriums von Almaty (einst Alma Ata), der Musikakademie Astana und des Moskauer Tschaikowski-Konservatoriums als 120 Mitglieder starker Klangkörper gründete. Eine Freude, die altersjungen Musiker mit jugendfrischer Ausstrahlung und spielerischer Begeisterung zu hören und zu sehen.

Jung an Jahren ist auch Dirigent Aidar Abzhachanow, der ohne körperliche Dirigierallüren mit präzise geführtem Taktstock zu Werke geht. Den Auftakt bildet die tempogeladene, in lärmenden Trubel sich steigernde „Dairabay“-Festmusik von Erkegali Rachmadijew, die auf dem traditionellen, fest gefügten Melodiemodell des Kjui basiert. Dem quasi Programm-„Reinschmeißer“ folgt als Gruß an die westeuropäische Kulturtradition – sozusagen vom Raketenstartplatz Baikonur aus – Beethovens „Egmont“-Ouvertüre. Leidenschaftlich, schlank und transparent wird sie musiziert, wobei die sattelfeste Hörnergruppe sich alle Anerkennung verdient. Danach landet man wieder in der kasachischen Steppe, um weiteren musikalischen Heldenerzählungen zu lauschen. Klanglich anrührend wird in dem Ballett „Steppenlegende“ von Tles Kashgalijew die Geschichte von Romeo und Julia der Steppe geschildert. Die erklingende viersätzige Suite erzählt natürlich von der Liebe, wobei auf breitem Streicherteppich sich ein gefühlvolles Flötensolo erhebt, garniert von Harfenpassagen und berückenden Klarinettenkantilenen. Alsbald nimmt das Geschehen kämpferisch-bedrohliche Züge an, breiten sich wehmütige Erinnerungen aus. Ein Säbeltanz auf kasachisch, bei dem das Blech kraftvoll aber kultiviert tönt, beendet die Tanzfolge. Auch die klangpoetische „Legende über den weißen Vogel“ der Kasachin Gaziza Shubanowa weiß von Anfang an zu gefallen. Die raffinierte Instrumentation, mit Harfenglissandi als Ausdruck für“s Schwirrende, erinnert zuweilen an Strawinskys „Feuervogel“.

Zum 100. Geburtstag von Achmet Shubanow, dem Altmeister kasachischer Musik, erklingt eine Suite aus dessen Nationaloper „Abai“, die dem kasachischen Poeten und Tonsetzer Abai Kunanbajew (1845-1904) ein Denkmal setzt. Mit wohllautendem, kraftvoll-klarem, in der Höhe erblühenden Sopran singt Gulzat Daurbajewa ihre Arien. Tenorpartner Talgat Mussabajew entpuppt sich als ein hoher Bariton mit heldischem Einschlag – wie es sich für einen Liebhaber gehört. Im Duett singen sie einen Hymnus, der in festlich-fröhliche Hochzeitstänze eingebettet ist.

Passend dazu gibt es als effektvollen „Rausschmeißer“ das rhythmische Folklorefeuerwerk „Das Hochzeitsfest“ von Erkegali Rachmadijew. Und so endet das umjubelte Konzert wie es begann: rasant.

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