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Kultur: Reizvoll

Harmoniemusiken im Nikolaisaal-Foyer

Eine Fledermaus à la Johann Strauß ohne Sänger? Tschaikowskys Nussknacker ohne Tänzer? Sicherlich etwas gewöhnungsbedürftig. Besonders, wenn es sich bei beiden Stücken nicht um die vertrauten Orchesterfassungen handelt, sondern um Harmoniemusiken. Sparvarianten? Keineswegs, denn die gemischten, größtenteils aus Holzbläsern bestehenden Besetzungen waren einst für musikalische Darbietungen im Freien gedacht, als Ersatz für größere Orchesterbesetzungen. Neben Originalkompositionen „vor die Harmonie“, so Mozart über diesbezügliche Eigenbeiträge, zählen dazu Bearbeitungen von Opern, Sinfonien und Balletten. Zu den gegenwärtig gefragtesten Meistern in diesem Metier gehört der 55-jährige Hannoveraner Andreas N. Tarkmann. Neben Tätigkeiten als Oboist, Klavierbegleiter, Komponist und Dirigent hat er sich besonders als Arrangeur einen Namen gemacht bei renommierten Ensembles und Solisten wie Placido Domingo, Anna Netrebko, Albrecht Mayer. Mittlerweile gehören Tarkmannsche Arrangements für Harmoniemusiken zum Standardrepertoire von Bläserensembles.

Beispielsweise auch jenes, das als Persius Ensemble für Furore sorgt und dessen Mitglieder zum integralen Bestandteil der Kammerakademie Potsdam gehören. Zusammen mit Kollegen bereiteten sie, die ihre Offerte im vollbesetzten Foyer des Nikolaisaals unter den Titel „Nussknacker und Fledermaus“ stellten, den Zuhörern über zwei vergnügliche Stunden feinsinniger Gourmetklangkost. Als versierten Chef de serveur haben sie Hans-Jochen Röhrig engagiert, auf dass er die einzelnen Nummern durch verbindende Worte zum großen Ganzen runden möge. Was auf so vorzügliche Weise geschieht, dass man gelegentlich denken mochte, die Musiker würden seinen Redefluss nur deshalb durch ihr Spiel unterbrechen, damit er Zeit zum Luftholen fände.

In passender biedermeierlicher Gehrockgewandung und mit sprachtheatralischem Spürsinn für Witz und Humor trägt er die E.T.A. Hoffmannsche Erzählung vom „Nussknacker und Mäusekönig“ in der einst in Russland sehr beliebten Fassung von Alexandre Dumas dem Älteren vor. Sie spielt in Nürnberg, am Weihnachtsabend. Nun ja, in elf Monaten ist es ja wieder so weit, sich an Geschenken unterm Tannenbaum zu erfreuen. Wie Franz und Marie. Letztere bangt um ihren tatsächlichen Traum-Prinzen, feiert im Zauberreich der Zuckerfee per Divertissement ein deliziöses Tanzfest. Ein Genuss für die Ohren, denn die Musiker fühlen sich in den federnd-eleganten bis süffig-sentimentalen Tschaikowsky-Noten hörbar wohl, weil deren holzbläserlastiger Orchestersatz sich ganz vorzüglich fürs Harmoniemusikarrangement (mit dabei: Kontrabass und zwei Hörnern) eignet.

Nach der Pause präsentiert sich Röhrig im „Fledermaus“-Frack, um nicht weniger sprachplastisch einen kleinen Handlungsfaden für die Abfolge der Straußhits zu spinnen. Die nunmehr im Stehkonvent versammelten Musiker haben den Wiener Schmäh dabei genauso verinnerlicht wie den champagnerseligen Dreivierteltakt. Es quirlt, wispert, kichert auf walzerfröhlichste und galoppschmissigste Weise. Auch hier wird recht straff artikuliert, ja fast schroff phrasiert. Den Melodien bekommt es gut. Die Gesangsstimmen finden Heimstatt in Oboe, wandern zur Klarinette, dann zum Fagott. Strophenwiederholungen in Csardas, Couplets und Finali zeigen sich als interessante Instrumentalvariationen vor. Ein unterhaltsamer und beifallsbedankter Abend. Peter Buske

Peter Buske

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