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Kultur: Resterampe

Kabarett im Schlussverkauf

„Rudi“, rief Gretel Schulze immer wieder von der Bühne in die erste Reihe, und meinte damit wohl den Namensgeber des Koschuweit-Cafés. Vielleicht hatten die professionellen Spaßmacher die zündende Idee für ihr aktuelles Programm auch dem „Rudi“ zu verdanken, nannten sie sich doch selbstironisch „Rudis Ramschladen“. Der, das heißt das Kabarett Obelisk, wird in 2008 dreißig Jahre alt, was sicher noch würdig gefeiert wird. Ab 30 kommt der Mensch allmählich in die Jahre, und das Potpourri-Programm, das aktuell im Obelisk läuft, hat auch schon graue Haare.

Obwohl das Jahr gerade erste begonnen hat, wirft das Kabarett Obelisk alles, was es im Pointenschrank des letzten Jahres gefunden hat, in dem „Alles muss raus!“ genannten Programm, das am Freitag Premiere hatte, unter das Publikum. Das bewährte Trio Gretel Schulze, Helmut Fensch und Andreas Zieger warf wirklich „alles raus“, was es 2007 an Einfällen gehabt hat. Das ist zwar billig, aber nur phasenweise gut. Gretel Schulze und Andreas Zieger veralberten den Aufschwung, den hier keiner haben will, weil er „schon riecht“ und benutzten schunkelnd Märchenmotive zur Klarstellung: „Frau, warum hast du so große Ohren? Frau, warum bist du so entsetzlich nackt?“ fragte der Mann und die Frau antwortete: „Damit mir der Aufschwung nicht noch tiefer in die Tasche greifen kann.“ Schon bald ließ sich das Publikum einnehmen. Wahrscheinlich auch deshalb, weil eine wohl bekannte Arbeiter- und Bauernperspektive eingenommen wurde, denn, so Fensch: Prekariat sei sein Unwort des Jahres 2007, zu dem man nämlich auch „Lumpenproletariat“ sagen könne. Solche Unschärfen in der soziologischen Analyse störten wenig, und es gab auch einfallsreiche Witze, wie den, dass das Land Brandenburg zum Paradies für Alte und Gebrechliche erklärt wurde. Der Aufruf: „Spielt Golf mit dem polnischen Wolf“ hatte poetische Qualität, der kalauernde Reimzwang bei „Joe Cocker kotzt locker vom Hocker Teltower Rübchen“ griff ein wenig zu tief in den Magen. Dass der G8-Gipfel als „Freigehege für Schwererziehbare“ und Merkel als „deutsche Flugente“ bezeichnet wurde, brachte wieder mehr politisches Gewicht in den voll besetzten Saal. „Platzeck der Entkoffeinierte“, so erfuhr man von Schulze, sei nicht wegen Ohrensausen, sondern wegen Fracksausen aus der Bundespolitik ausgeschieden, und Zieger, der immer dann originell war, wenn er den „fichilanten Sachsen“ gab, stellte den „Trend zur Zweitmuschi“ bei den Bayern fest. Ein Witz, dessen Bart so grau ist wie Bayern ohne seinen rhetorisch brillanten Stoiber.

Und natürlich kamen die erprobten Songs, die Gretel Schulze mit ihrer weigelschen Stimme sicher intonierte: „Gib es zu, du warst im Nana-Muskuri-Konzert“ ist wirklich so, dass man es immer wieder gerne hört. Ob „Tango Corrupti“ oder „Hausfrauenlambada“ , die Songs lockerten das Programm auf, das über zwei Stunden gezogen wurde, bis selbst die Zugpferde nicht mehr konnten. Helmut Fensch machte einen laschen Eindruck, als er seine Nachrichten verlas, in der die globale Klimakatastrophe auf Meckpomm lokalisiert wurde: An der Ostseeküste nämlich docke die amerikanische Freiheitsstatue an und freue sich darüber mit dem Spruch: „Ich bin ein Mecklenburger“. Auch der Schlossneubau konnte nicht unkommentiert bleiben: Interessant, dass die Millionenspenden nicht, wie man meint, für die Wiederherstellung der Barockfassade gedacht sind, sondern für die des Palastes der Republik. Und so war es dann nur ein kleiner Schritt zur Feststellung, dass es „ohne Staatssicherheit keinen Oscar“ gegeben hätte – für den Film „Das Leben der anderen“ nämlich.

Für die Zuschauer, die noch kein Obelisk-Programm kennen, mag der Besuch lohnenswert sein. Das Premierenpublikum jedenfalls dankte frenetisch und forderte mehrere Zugaben. Lore Bardens

Lore Bardens

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