zum Hauptinhalt

Kultur: Russland ist mehr als Gazprom

Die Puschkin-Gesellschaft hat sich in Potsdam angesiedelt / Veranstaltung mit dem Fontane-Archiv

Theodor Fontane hat sich über den russischen Dichter Alexander Puschkin (1799-1837) wohl nicht geäußert. Zwar hat der aus Odessa stammende Übersetzer Wilhelm Wolffsohn ihn in die russisch-literarische Welt des 19. Jahrhunderts eingeführt, doch anscheinend war dem deutschen Dichter die realistische Prosa Iwan Turgenjew näher als die Dichtung des Romantikers Alexander Puschkin. Dennoch werden sich der Deutsche und Russe in der kommenden Woche begegnen. 

Zu einer literarischen Soirée wird am Mittwoch in die Villa Quandt, dem Sitz des Theodor-Fontane-Archivs, eingeladen. Vor allem lyrische Arbeiten der beiden Dichter treten in einen spannenden Dialog. Alexander Puschkin hat sich in seinem Dichterleben ganz intensiv mit Lyrik beschäftigt. Sie gehört zu dem Bedeutendsten, das in der russischen Literatur entstanden ist. Fontane war dagegen mehr Prosaist. Zu dem Abend in der Villa Quandt laden neben dem Fontane-Archiv die Deutsche Puschkin-Gesellschaft ein. Der Verein hat seit kurzem in Potsdam seine Heimstatt. „Das ist gut so, denn gerade diese Stadt hat enge Verbindungen mit der russischen Kultur. Man denke nur an die Kolonie Alexandrowka, die noch zu Lebzeiten Puschkins gebaut wurde“, erzählt Vereinsvorsitzender Dieter Boden. Er gehört zu den Mitgliedern, die die Gesellschaft vor 22 Jahren anlässlich des 150. Geburtstages des Dichters mit gründeten, darunter Diplomaten des Auswärtigen Amtes und der Puschkin-Übersetzer unserer Tage, Rolf-Dietrich Keil.

„Wir hatten damals das Ziel, zunächst nur in Westdeutschland, die Kenntnis von Leben und Werk Puschkins zu fördern und zu vertiefen“, berichtet der Vorsitzende. In der ehemaligen DDR war trotz der verordneten „deutsch-sowjetischen Freundschaft“ Puschkin nur in Ansätzen bekannt. Nach der Wende konnten dann auch ostdeutsche Literaturinteressierte den Weg in die Gesellschaft finden. 200 Mitglieder zählt sie heute. Sie kommen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum. „Es scheint mir aber weiterhin wichtig zu sein, dass wir uns stärker um die Popularisierung der russischen Kultur und damit auch für Puschkin einsetzen. Russland ist mehr als Putin und Gazprom“, sagt Dieter Boden, der durch das Slawistik-Studium und durch seine diplomatischen Dienste zu dem großen Land enge Beziehungen hat. Er, der heute in Potsdam im Ruhestand lebt, war unter anderen Generalkonsul in St. Petersburg und auch Sondergesandter der Vereinten Nationen in Georgien. Im November des vergangenen Jahres hat sich die Gesellschaft in einer Veranstaltung im Filmmuseum vorgestellt. Gezeigt wurde der Ufa-Streifen „Der Postmeister“ aus den vierziger Jahren mit Hilde Krahl und Heinrich George. Gern möchte Dieter Boden eine Puschkin-Ausstellung für Potsdam organisieren. In Bonn kam bereits eine Wanderausstellung unter dem Titel „Puschkin und die deutsche Kultur“ zustande. Das Puschkin-Haus der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg griff mit Fotomaterial der Gesellschaft unter die Arme. Das spricht für die guten Beziehungen zwischen dem Verein und dem Literaturhaus in der Stadt an der Newa.

Auch die nun beginnende Kooperation zwischen dem Fontane-Archiv und der Puschkin-Gesellschaft soll intensiviert werden, so die Archiv-Direktorin Hanna Delf von Wolzogen. „Es wäre schön, wenn Puschkin weiterhin die Einladung Fontanes annehmen würde.“

Klaus Büstrin

Russisch-deutsche Lesung mit Alla Samuel und Isabel Bartels am 28. Januar um 19 Uhr in der Villa Quandt, Große Weinmeisterstraße 46/47.

Klaus BüstrinD

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false