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Kultur: Schauspiel

Les Haferflocken Swingers begeistern im Waschhaus

War bis zu diesem Moment noch jemand in schlechter Stimmung, dann sollte diese nun wirklich endgültig dahin sein. Fingerschnipsen, zuckende Glieder, kreisende Hüften und jede Menge Hotjazz, Swing und Rock’n’Roll lagen in der Luft und machten den Waschhaus Klub an einem schnöden Donnerstagabend vielleicht zum energetischsten Platz der ganzen Stadt.

Verantwortlich dafür waren die Les Haferflockenswingers, deren Bandname bereits verriet, dass hier Multikulti auf der Bühne stehen würde. Es hatten sich tatsächlich Frankreich, Kanada und auch Deutschland zusammengetan, um dem Potsdamer Publikum ordentlich Feuer unter dem Hintern zu zünden. Und sie waren damit wirklich erfolgreich.

Ihr Publikum, das sich aus Alt und Jung zusammensetzte, saß zu Beginn der Veranstaltung noch überwiegend. Doch dies sollte nicht lange so bleiben. Spätestens als Saxophonistin und Sängerin Andrea mit ihrem Instrument durchs Publikum zog, fielen alle Hemmungen und Jung zog Alt auf die Füße und direkt vor die kleine Bühne. Berührungsängste gab es keine und schnell geriet das Konzert zu einer Party, die sich anfühlte, als wäre man mit den besten Freunden zusammen und könnte alle Zurückhaltung und Schüchternheit ablegen. Breites Grinsen auf allen Gesichtern, glücklich versunkenes Tanzen zu Gypsy, Klezmer, Jazz oder Swing. Nahm man sich einen ruhigen Moment, um die Band zu beobachten, bekam man ein wahres Schauspiel geboten. Alle konnten alles.

Es gab den zurückhaltenden Gitarristen Talis Mortalis, der nicht nur ebenfalls das Saxophonspiel beherrschte, sondern zutiefst empfundene Melancholie ins Mikro nuschelte, völlig unberührt von der ihn einbettenden rasanten Musik. Oder den minimalistischen Schlagzeuger mit Nerdbrille und introvertiertem Habitus, der trotzdem ab und an den Ton angab und einen Swing einleitete, der förmlich im Raum explodierte. Der elvisverrückte Kontrabassist Flocko Motion mit dem Schlafzimmerblick, der anfänglich so schüchtern und unsicher wirkte, strafte plötzlich alle Eindrücke Lügen und legte mit nacktem Oberkörper einen Solotanz mitten im Publikum hin und lieferte so die Vorgabe für den letzten Song, in dem die burschikose und großbeschleifte einzige Frau der Formation die Männer zum „Aerobic Male Dancing“ mit freiem Oberkörper aufrief. Ein Juchzer ging durchs Publikum angesichts so viel attraktiver Männlichkeit und die Tanzeinlage mit Slow Motion Prügelei bestätigte die bandeigene Stilmixbeschreibung: hier mischt sich Swing mit Alternative und Trash. Hier brannte die Luft und man wird von den 20ern direkt auf eine jüdische Hochzeit katapultiert, um sich plötzlich mitten in einem Tarantinofilm wiederzufinden. Bitte mehr davon. Andrea Schneider

Andrea Schneider

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