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Uwe Eric Laufenberg (l.) und Moritz Führmann spielen die Hauptrollen in der sehr gelungen Aufführung von Oscar Wildes Komödie.

© HOT/Thomas Aurin

Von Babette Kaiserkern: Scheinheilige und Taugenichtse

Premiere am Hans Otto Theater: „Ein idealer Gatte“ von Oscar Wilde

Eine schöne Nackte räkelt sich auf dem Vorhang, über ihr fliegen ein paar Putti durch die Lüfte. Diese Reminiszenz an das Gemälde „Triumph der Venus“, bildet das Motto von Oscar Wildes Komödie „Ein idealer Gatte“.

Sie bleibt diesmal die einzige Unbekleidete in der Inszenierung im Hans-Otto-Theater. Entblößungen gibt es aber durchaus, doch sie laufen, ganz klassisch, über die Sprache. Freigelegt wird die schöne Oberfläche, der glitzernde Schein einer Gesellschaft, in der der Mammon alles zählt. Reichtum und Erfolg heißt die Devise. Wie skrupel- und ehrlos dieses Ziel bisweilen erreicht wird, zeigt sich erst, als eine Intrigantin auftaucht, die den Politiker Sir Robert Chiltern erpressen will, um ihrerseits zu Wohlstand zu gelangen. Bis dahin galt der aufstrebende Unterstaatssekretär als hoch angesehenes, verehrtes Mitglied der politischen Oberschicht. Für seine Ehefrau, die höchste moralische Standards verficht, verkörpert er das unfehlbare Bild des „idealen Gatten“. Erst der beherzte Einsatz seines besten Freundes, Lord Goring, beseitigt die Fallen, entlarvt die Fallenstellerin und stellt die Einheit zwischen dem Ehepaar wieder her. Vollends erstrahlt der schöne Schein, als sogar der als Faulpelz verschrieene Lord Goring beschließt, endlich auch zu heiraten.

So ist das Stück oft inszeniert worden: als harmlose Gesellschaftskomödie mit doppeltem Happy-End und ein paar wohlfeilen Seitenhieben auf Macht, Moral und Politik. Denn allzu leicht geht die bittere Kritik im funkelnden Sprach-Feuerwerk der Wildes’schen Bonmots, Bosheiten und Sentenzen unter.

Doch so einfach will es sich die Inszenierung von Tobias Rott nicht machen. Er würzt das agile Spiel mit ein paar handfesten Hinweisen auf die Verkommenheit der Personen und auf ihren Autor. Dabei wirkt das Ambiente elegant, beschwingt, nur die schnulzigen Musikeinlagen deuten auf den Kitschfaktor in dieser Gesellschaft. Statt prunkvoller Fin-de-Siècle-Räume wird makellos glatter, cooler Designer-Stil unserer Zeit zitiert. So wie die silbrig schimmernden Klohäuschen, die den Hintergrund zur ersten und der allerletzten Szene bilden (Bühne: Vinzenz Gertler). Aus ihnen entsteigen, in ihnen verschwinden die Menschen, die in dieser Inszenierung nicht sarkastisch als Karikaturen erscheinen, sondern ziemlich ernst genommen werden.

Das macht ihre Exzentrik und ihren Egoismus nur umso deutlicher, besonders dann, wenn die Rolle des Dieners Mason (Helmut G. Fritzsch) so bewusst als Kontrapunkt ausgespielt wird wie hier. Der geschliffenen Zungenfertigkeit seiner Herrschaft und ihrer Brutalität kann dieses missbrauchte Faktotum nichts als Stammeln entgegensetzen. Mit unterschwelliger Bösartigkeit wird die Verführerin und Intrigantin Mrs. Chevely von Anne Lebinsky gegeben. Sie ist nicht nur eine Diebin, sondern – man sieht es an der grünglitzernden, hautengen Robe – eine falsche Schlange und eine Verführerin wie ihr biblisches Vorbild. Zwar vermittelt sie Erkenntnis, aber die Ordnung in die Welt kann nur der Dichter bringen. Im Stück verkörpert den der Außenseiter Lord Goring, der hier von der Kleidung an als alter ego von Oscar Wilde gezeichnet und von Uwe Eric Laufenberg bravourös gespielt wird. In seiner letzten Rolle gibt der scheidende Intendant des Hans-Otto-Theaters dem Affen richtig Zucker. Mal klärt er im pastoralen Ton über die Bedeutung von Nächstenliebe, Nachsicht und Liebe auf – dazu wird es plötzlich sogar hell auf der Bühne. So bringt er die hochstrebende Künstlerphilosophie von Wildes ganz ironiefrei zum Ausdruck. Dann wieder spielt er den verliebten, schon recht beleibten Faun, der im Morgenrock ausgelassen über die Bühne tänzelt und das häusliche Zusammensein mit seinem Diener, einem süßen, kleinen Toyboy (Philipp Weggler), genießt. Selbst ein Texthänger gerät ihm noch zum Quotenrenner.

Moritz Führmann wirkt dagegen ausgesprochen blass, ein verbeamteter Biedermann und Scheinheiliger, der nichts upper-class-mäßiges an sich hat. So vermag er den tiefen moralischen Fall seiner Person nicht recht zu vermitteln. Mit trockenem Witz spielt Roland Kuchenbuch den Earl von Caversham, der seinen Taugenichts von Sohn unermüdlich auf den rechten Weg bringen will. Rita Feldmeier belebt den sonst etwas drögen zweiten Akt mit einem längeren Auftritt. Herrlich zickig, spritzig und überkandidelt gibt Caroline Lux die Miss Mabel Chiltern. Lady Chiltern, die makellose Ehegattin und Feindin der Mrs. Chevely, wird von Nicoline Schubert als knochentrockene Prinzipienreiterin gegeben, deren Welt erst wieder in Ordnung ist, als sich ihr Ehegatte erneut für seine Karriere entscheidet. So zeigt sich, dass der Sieg der Liebe, den das Stück so wortreich beschwört, in Wirklichkeit der Sieg der Bigotterie der Oberschicht ist. Besonders gelobt werden müssen auch die fantasievollen, farbenprächtigen Kostüme von Antje Sternberg, die dieser unterhaltsamen, intelligenten und sehenswerten Aufführung zusätzlichen Witz verleihen.

Weitere Vorstellung am 29. Januar, 19.30 Uhr, Neues Theater

Babette Kaiserkern

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