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Das Museum widmet sich der Genese von „2 Beton-Cadillacs in Form der nackten Maja“. 

© Andreas Klaer

Neue Ausstellung im Fluxus-Museum: Tanz der Autofahrer ums Goldene Kalb

Das Fluxus-Museum erinnert an Wolf Vostell – und seine skandalumwitterten „Concrete Cadillacs“.

Potsdam - Der Künstler Bazon Brock bezeichnete ihn mal als die größte Debatte in der deutschen Kunst seit 1945: den Streit um den Skulpturenboulevard am Berliner Ku’damm 1986. Westberlin bereitet sich damals auf seine 750-Jahr-Feier vor und will mit zeitgenössischer Kunst klotzen. Geplant sind eine Ausstellung unter dem Titel „Hommage an Berlin“ und ein Skulpturenpfad am Kurfürstendamm.

Die Idee dafür stammt von einem, der damals in Westberlin lebt, der Künstler Wolf Vostell. Der Skulpturenpfad und die hitzige Debatte, die er hervorrief, feiern in diesem Jahr ihr 35-jähriges Jubiläum. Der 1998 verstorbene Vostell wäre im Oktober 90 geworden. Beides nimmt sich das Potsdamer Fluxus-Museum zum Anlass für eine Ausstellung. „Concrete Cadillacs“ heißt sie – nach dem skandalumwehten Werk, das Vostell für den Skulpturenpfad schuf. Es ist heute noch auf dem Rathenauplatz in Berlin-Grunewald zu sehen: Auf einer Kreisverkehrsinsel stehen da, acht Meter hoch und sechs Meter breit, zwei Cadillacs, Baujahr 1971, in Beton gegossen. Vostell beschrieb das Ganze als „Tanz der Autofahrer ums Goldene Kalb“. Als „Antidenkmal der Konsumgesellschaft“ beschreibt es das Museum.

Bürgerinitiative wollte Skulptur verhindern

Schon während der dreiwöchigen Aufbauphase erhitzen sich die Gemüter einiger Anwohner:innen. „Der ist ja nicht ganz normal“, zitiert eine Zeitung 1987 einen erregten Bürger. Das ist nur der Anfang. Eine Bürgerinitiative gründet sich, um die Skulptur zu verhindern. Die SFB-Fernsehsendung „Abendschau“ ruft zur telefonischen Abstimmung über das Kunstwerk auf und legt damit aus Versehen den Notruf lahm. In anonymen Briefen an den Senat heißt es: Alle „echten Berliner“ würden „solche Klamotten nicht mal auf Schrotthalden zum Einschmelzen haben wollen“. Auch von „entarteter Kunst“ ist die Rede.

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Das Kuratorenteam Philipp John und Barbara Straka hat die unzähligen Briefe, Zeitungsartikel und Fernsehberichte gesichtet und eine Auswahl im Museum aufbereitet. Sie wollen dokumentieren, was war, aber auch Parallelen zu heute aufzeigen. „Die Elitenfeindlichkeit, die Wutbürger, die Shitstorms – all das sind Phänomene, mit denen wir es heute auch zu tun haben“, sagt Straka. John bezeichnet das damalige Diskursgeschehen als eine Art „Blaupause“ für heutige Debatten wie die um die diesjährige Documenta. Westberlin sei damals nicht nur räumlich vom Rest der Republik abgeschnitten gewesen, sondern auch in seinen Diskursen, erklären die Kurator:innen den Furor. Der Öffentlichkeit seien Formsprachen wie die Vostells fremd gewesen. Und: Man wollte sich zum 750. Geburtstag in ganzer Pracht zeigen – mit „schöner Kunst“. Das sind die Cadillacs nicht.

Aus Angst lebte Barbara Straka zwei Jahre lang bei Freunden

Straka war 1986 unmittelbar betroffen: Als Projektleiterin hatte sie die Aufgabe, die Werke der Künstler im Stadtraum umzusetzen. Die acht Künstler, darunter auch Stars wie Edward &Nancy Kienholz, hatte nicht sie, sondern eine Jury ausgewählt. Dennoch wurde sie persönlich angefeindet: Die Kunst sei ein Schandfleck, Künstler wie Vostell „Bekloppte“, und Straka werde „ihre Strafe noch bekommen“. Sie lebte aus Angst zwei Jahre lang bei Freunden.

Seit 2000 lebt Barbara Straka in Potsdam und hat an mehreren Ausstellungen im Fluxus-Museum mitgearbeitet. So kommt es, dass das vorerst letzte Kapitel eines Westberliner Skandals in Potsdam geschrieben wird. „Die Ausstellung ist für mich auch eine Art Wiedergutmachung an Vostell“, sagt Straka. „Er stand damals im Zentrum der Kritik, aber seine Kunst ist kaum gewürdigt worden.“ Daher lädt „Concrete Cadillacs“ zum Entdecken von rund vierzig Werken aus drei Jahrzehnten ein – Gemälde, Décollagen, Skulpturen. Eines der Leitmotive: das Auto. Über das sagte Vostell: „Es bleibt für mich neben dem TV-Gerät die größte Skulptur des 20. Jahrhunderts.“ 
Eröffnung am 26.8. um 18 Uhr, bis 20.11. zu sehen im Museum FluxusPlus

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