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Kultur: Tot oder lebendig?

Mark Benecke im ausverkauften Waschhaus

„Gucken Sie sich mal diese Leiche an.“ Wie oft bekommt man diesen Satz im Alltag schon zu hören? Zugeben, tendenziell eher selten. Wenn man allerdings im Publikum von Mark Beneckes Vorträgen sitzt, ist das schon eine relevante Aufforderung. Dann erscheint vorne auf der Bühne ein übergroßes Foto mit unappetitlichen Nahaufnahmen von leblosen, mit Insekten besiedelten Körperteilen. Das Publikum stöhnt auf und der Mann am Laptop grinst zufrieden über beide Ohren. Der Mann, Mark Benecke, ist Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe. Seine Vorträge über Mord und Todschlag füllen Hallen. So auch am vergangenen Freitag im ausverkauften Waschhaus in der Schiffsbauergasse.

Kriminalbiologen sind zuweilen eine scheue Spezies, die nur selten das Labor und ihre wohl gehüteten Leichenteile verlassen. Benecke ist da eine Ausnahme, er sucht die Öffentlichkeit. Wie sein Beruf, so ist Benecke selbst speziell. Ein tätowierter, in schwarzen Lederhosen gekleideter, kahl rasierter Mann. Für manche nicht all zu vertrauenserweckend, stellt sich aber heraus, dass Benecke doch ein angenehmer Mann ist – nur eben mit etwas ungewöhnlichen Interessen. Während seiner multimedialen Veranstaltung im Waschhaus zeigte er die besten Gastgeberqualitäten, beantwortete unzählige Fragen zu seinem Beruf und seinen Tätowierungen und signierte artig alles, was man ihm vor die Nase hielt. Mit Themen, wie „Leichen auf Maden“ oder „Plötzliche Selbstentzündung beim Menschen“ unterhält er sein Publikum aufs Beste. Das Publikum darf sogar das Thema selbst wählen – von interessanten Detektivgeschichten, über Verwesungen aller Art bis hin zu grausigen Serienmorden. Benecke versorgt den Normalbürger mit interessanten, teilweise aber schwer verdaulichen Informationen aus seinen spannendsten Mord- und Kriminalfällen. Die übergroßen, auf die Leinwand projizierten Bilder von Leichen, Maden und Blutlachen sind dann aber doch nicht immer leicht zu verkraften. Wenn dann der Sitznachbar nervös in der Tasche kramt oder beschämt zu Boden schaut, weiß man wenigstens, dass man nicht die einzige Zartbesaitete ist. Im Großen und Ganzen war das Publikum am Freitag aber voll bei der Sache und natürlich amüsiert. Denn Benecke schafft es die grausigen Geschichten mit witzigen Anekdoten zu verpacken und präsentiert zwischendurch urlaubsähnliche Schnappschüsse, die einen zum Lachen bringen und den Magen wieder in Normalposition drehen. Damit erreicht er zweierlei Dinge: er befriedigt die Sensationsgier und den Voyeurismus des Publikums, aber vor allem ist er sehr unterhaltsam.

Ja, Benecke hat ein dickes Feld, das zeigt sich an seinem makaberen Humor. Grinsend mit einem Schädel in der Hand abgelichtet zu werden, wäre für viele verwerflich. Aber das ist Beneckes ganz spezielle Art. Am Ende der Veranstaltung hat man sich ordentlich geekelt, viel gelacht, und eventuell eine der auf der Bühne präsentierten lebendigen Maden angefasst. Und eine Erkenntnis bleibt: wer mit Herrn Dr. Benecke zu tun hat, ist entweder bereits tot oder lacht sich bald tot. Josefine Schummeck

Josefine Schummeck

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