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Kultur: Vollgriffiges Muskelspiel

Orgelkonzert mit Barry Jordan in St. Peter und Paul

Orgelkonzert mit Barry Jordan in St. Peter und Paul Wer zum Domorganisten in Merseburg bestallt wurde, hatte einst eine wichtige Position in der kirchenmusikalischen Hierarchie erreicht. Nicht nur im Thüringischen. Da der Domorganist August Gottfried Ritter (1811-1885) zudem noch am Gymnasium unterrichtet und eine Liedertafel gründet, gehört er zweifelsohne zu den Honoratioren der Stadt. Doch schon bald erfolgt seine Berufung zum Domorganisten nach Magdeburg. Mehr als dreißig Jahre lang übt er dieses honorable Amt aus. Im Zenit seines Ruhmes ist er als Improvisator in deutschen Landen unerreicht. Als sein Nachfahre wirkt dort heute der 1957 im südafrikanischen Port Elisabeth geborene Barry Jordan, der inzwischen auch schon seit zehn Jahren die Orgelbank drückt. Von seinem virtuosen Können kündet der einstige Haselböck-Schüler in einem leider nur sehr mäßig besuchten Orgelkonzert in der Propsteikirche St. Peter und Paul. In den Mittelpunkt seiner interessanten Programmfolge stellt er, gleichsam als Hommage an seinen Amtsvorgänger, dessen Sonate Nr. 3 a-Moll op. 24. Aus barocker Orientierung dringt sie zu eigenständiger Tonsprache vor, die zuweilen an die von Bach erinnert und die eines Messiaen vorwegnimmt. Sicherlich auch deshalb dienen Werke beider Komponisten der Zusammenstellung als konzeptionelle Klammer. Die Ecksätze der Ritterschen Komposition ertönen im vollen Orgelwerk und ohne Registrierungsmätzchen wie unter Hochdruck, so als gelte es, Lisztscher Vollgriffigkeit und Kraftattitüde zu entsprechen und sinfonische Klangdimensionen zu erreichen. Gleichsam zur geistigen Entspannung verströmen sich per Tremulant und Zungenstimmen ätherische Klänge, abgelöst von freundlichen, sehr reizvoll registrierten Betrachtungen. Denen folgen (im organo pleno) toccatische Bekräftigungen, die schließlich mit großer Geste in die pathetische Verklärung münden. Manche bizarren Klangbildungen erinnern dabei auf frappante Weise an Olivier Messiaen (1908-1991). Von dieser Legende der Orgelmoderne erklingt „L''Ascension“, vier symphonische Meditationen über die Himmelfahrt. Der Eindruck statischer Erhabenheit stellt sich bei der „Majestät Christi, der seinen Vater um Verherrlichung bittet“ ein. Hübsche Echowirkungen tragen zu diesem Eindruck bei. Kapriziöses Leuchten, fröhliches Funkeln, konturenscharfe Farbtupfer und raffinierte Schattenspiele erzeugen ein „frohes Halleluja einer Seele, die sich nach dem Himmel sehnt“. Dissonante Akkordblöcke türmen sich aufeinander, in die sich grelle Klangflächen dazwischen schieben: so entstehen „Freudenausbrüche einer Seele vor der Herrlichkeit Christi, die ihre eigene ist“. Feierlich, entrückt und betrachtend hört sich das „Gebet Christi, zum Vater aufsteigend“ an. Insgesamt ein beeindruckender Höreindruck. Nicht weniger imponierend gerät die Wiedergabe der Toccata und Fuge F-Dur BWV 540 von Johann Sebastian Bach. Eine irdische, virtuos geradezu berstende und rauschhafte Auffassung, die manche Noten sogar mit originellen Trillerhäubchen versieht. Lust und Lebensfreude als Inspirationsquelle – was kann es Schöneres geben?! Peter Buske

Peter Buske

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