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Kultur: Von der Bühne zum Bildschirm und zurück Christian Quadflieg liest heute im Nikolaisaal

Auf dem Bildschirm sucht man ihn inzwischen weitgehend vergeblich. Zwar gab es da in den letzten Jahren eine Handvoll Auftritte in der Krimi-Reihe SISKA, oder die erfolgreiche Serie „Vater wider Willen“, in der er einen überforderten Familienvater und Dirigenten spielt.

Auf dem Bildschirm sucht man ihn inzwischen weitgehend vergeblich. Zwar gab es da in den letzten Jahren eine Handvoll Auftritte in der Krimi-Reihe SISKA, oder die erfolgreiche Serie „Vater wider Willen“, in der er einen überforderten Familienvater und Dirigenten spielt. Die letzte Rolle jedoch, ein Gastauftritt in einer Folge von „Der Alte“, liegt bereits über ein Jahr zurück. Es ist kein Zufall, dass die Auftritte von Christian Quadflieg selten werden. Er ist wählerischer geworden.

„Die meisten Angebote, die ich erhalte, sind einfach läppisch“, erzählt Quadflieg. „Ich habe immer mit dem Fernsehen einen gewissen Bildungsanspruch verbunden“. Geschichten, die nur nichtig heiter sind, kommen für ihn nicht in Frage. Dabei lacht er gern, hat nichts gegen Leichtigkeit – solange es einen Inhalt gibt, der das Ganze erdet. Das Leben sei zu kurz, um es mit Nichtigkeiten zu verbringen. Vielen Angeboten fühlt er sich zudem entwachsen. Was neben der Sehnsucht nach Unbedarftem Quadfliegs zweite Schwierigkeit mit dem Fernsehen andeutet: Es hat ein unbarmherzig gutes Gedächtnis. Für Christian Quadflieg heißt das, dass ein Großteil der Angebote sich auf eine Rolle beziehen, die er bereits vor gut 15 Jahren abgelegt hat. „Die meisten sehen in mir immer noch den Landarzt“.

Quadflieg spielte den Dr. Karsten Mattiesen, die Titelrolle der Serie „Der Landarzt“, nur fünf Jahre lang. Recht kurz also: Nachfolger Walter Plathe ist schon siebzehn Jahre dabei. Dennoch hängt Quadflieg der weiße Kittel an wie Peter Falk der knittrige Trenchcoat seines Columbo. Wie Quadflieg betont, schämt er sich für keine einzelne der Folgen, die Qualität sei durchweg exzellent. Überhaupt ist der Schatten des Dr. Mattiesen insgesamt keine Bürde, im Gegenteil: Er freut sich, wenn Leute ihn erkennen. „Aber alles hat seinen Platz.“ Als er 1991 aus der Serie aussteigt, ist es „schon fast zu spät“. Da ist Quadflieg schon so sehr der Landarzt, dass Boulevardblätter Fotos retouchieren, um ihn im weißen Kittel zu zeigen. Quadflieg hatte nämlich ein Verbot erlassen: Keine Porträts „in weiß“. Die Farbe hängt ihm trotzdem an. Im Grunde bis heute.

Das Fernsehen machte Quadflieg berühmt, seine Anfänge jedoch liegen am Theater. In mehrerer Hinsicht. Auch Vater Will war Schauspieler, einer der großen des letzten Jahrhunderts. Als Christian 1945 in Vaxjö/Schweden geboren wird, steht Vater Will gerade am Beginn seiner zweiten Karriere. Sohn Christian geht an die Schauspielschule Bochum, erhält erste Engagements in Oberhausen, Wuppertal und Basel. Ab 1974 arbeitet er frei und widmet sich zunehmend dem Fernsehen. Rückblickend ist für Quadflieg die Entscheidung für die Filme auch eine Abnablung vom allgegenwärtigen Vater, der bis zu seinem Tod 2003 vor allem auf Theaterbühnen stand. Eine gewisse Konkurrenz sei unvermeidbar, wenn man im selben Gewerbe arbeite, ob bei Schauspielern oder Metzgern. „Aber mit der Zeit haben wir uns daran gewöhnt“. Einmal etwa, als beide in Salzburg im Biergarten sitzen, fragt der Vater angesichts einer nahenden Gruppe von Touristen: Deine Fans oder meine Fans?

Vom Vater hat Quadflieg nicht nur seine sonore Stimme – „ein Geschenk vom Himmel“ – sondern auch den Ehrgeiz, anderen die Schönheit von Sprache zu vermitteln. So tritt Quadflieg kostenlos vor Schulklassen auf oder gibt Lehrerseminare, um zu zeigen, wie man heutige Schüler wieder für Lyrik sensibilisieren kann. Nicht durch Auswendiglernen, sondern durch das Lauschen auf Inhalte und Doppelbödigkeit von Sprache. Ein ähnlicher Impuls treibt ihn auch immer wieder in Orte fernab von Großstädten. Ohnehin gebe es ja Provinz nur als Vorurteil, in den Köpfen. „Und wenn da nur einer im Publikum sitzt, der sonst nie ins Theater geht und es durch mein Spiel wieder tut, dann hat es sich für mich gelohnt.“

Früher ist Quadflieg mit Theaterproduktionen durch das Land gereist, heute mit Rezitationen. In den rezitatorischen Alleingängen hat Quadflieg seine Nische gefunden, jenseits vom banalen Fernsehen und modernen Theaterstücken, die „auch nur dem Fernsehen nacheifern“. Mit neuen, multimedialen Bühnenästhetiken kann er so wenig anfangen wie mit platten Drehbüchern. „Wenn man hingegen allein auf der Bühne steht, ist man für alles selbst verantwortlich, das dort passiert.“ Von Goethe, Schiller und Heine bis Busch und Ringelnatz – insgesamt 29 Programme hat er im Repertoire, teils mit Musik. So auch heute im Nikolaisaal, wo er zusammen mit der Lautten Compagney und der Capella Angelica einen Weihnachtsabend gestaltet, u.a. mit Gedichten von Busch, Brecht und Kästner. Aber auch Unbekannteres wird er lesen. Sein Wunsch für das neue Jahr? „Gesundheit, Gesundheit, Gesundheit.“ Und sonst? Dass das 1934 nach Toulon verschenkte Heinrich Heine Denkmal endlich zurück nach Hamburg kommt. Dafür kämpft Quadflieg seit 1997. Vom Fernsehen hingegen keine Rede.

Heute, 20 Uhr, liest Christian Quadflieg im Konzert mit der Lautten-Compagney.

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