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Kultur: Von der Kunst der Nuancierungen

Konzert der Kammerakademie Potsdam mit barocken Arien im Schlosstheater

Konzert der Kammerakademie Potsdam mit barocken Arien im Schlosstheater Süß, hingebungsvoll und pathetisch sollte er sein, der Stil, der ein Zeitalter prägte – das der Aufklärung. Durch Instrumente sollte die menschliche Stimme nachgeahmt werden. Diese müsse allerdings auch wie ein Instrument klingen, brillieren, in Gefühlen schwelgen, virtuos mit Improvisation umgehen können. Belcantismo heißt die Devise, der Vokalisten und Instrumentalisten gleichermaßen huldigen. Die Natur auf Instrumenten zu imitieren ist genauso eingefordert wie vokaliter menschliche Gefühle in einen naturalen Zusammenhang zu stellen. Dazu bedarf es ausufernder Fantasie und virtuoser Technik. In diese Wunderwelt der Klänge entführt das Konzert der Kammerakademie Potsdam, bei dem im Schlosstheater im Neuen Palais größtenteils „Barocke Arien“ aus der Feder von Georg Friedrich Händel und Antonio Vivaldi erklingen. In ihnen kann sich Starsopranist Jacek Laszczkowski von seiner besten Seite zeigen. Dem Wagnis der Virtuosität stellt er sich bedingungslos, indem er Farben und Akzente differenziert handhabt. Die Manier der Verzierungen und die Kunst der Nuancierungen beherrscht er exzellent. Die lyrische Ekstase gelingt ihm dabei gleichermaßen wie die virtuose Affektattacke. Beispiele gefällig? Für ersteres vielleicht die anrührende Arie „Lascia ch''io pianga“ (Lass mich mit Tränen) aus Händels „Rinaldo“; für letzteres etwa die cholerischen Ausbrüche „Qual Tigre e qual Megera“ (Welcher Tiger und welche Megäre) aus George Frederics „Teseo“ oder die wutschnaubenden Drohungen „Fra inospite rupi“ (In einer felsigen Wüste) aus Vivaldis „La fida ninfa“. Jener Oper also, in der der Sopranist im vorigen Jahr bei den Musikfestspielen Potsdam brillierte und diesjährig wieder zu erleben sein wird. „In seiner Stimme ist noch irgendwo etwas Männliches zu spüren“, suchen zwei Besucher im Pausengespräch das Geheimnis des Sängers Stimme zu ergründen. Diese zeigt sich an diesem Sonntagnachmittag von verschiedenen Seiten. Besonders in Ausschnitten aus Händels „Teseo“ fällt immer wieder ein unpräziser Tonansatz auf, wirkt die Mittellage leicht verhangen. Dem stehen gestochene, kraftvoll herausgeschleuderte Spitzentöne, koloraturenflinkes Turnen und verzierungsreich variierte Dacapoteile gegenüber. Es scheint, als liege der mittlere Tonhöhenbereich dieser Partie seiner Stimme nicht. Dazu kommt, dass er vor dem Orchester an der Rampe steht. Der Klang mischt sich nicht. Was bei Vivaldi weit weniger ins Gewicht fällt, denn dessen Arien aus „Catone in Utica“ und „La fida ninfa“ liegen einfach höher und dem Sopranisten damit besser in der Kehle. In ihnen entfacht er ein prachtvolles Koloraturenfeuerwerk, windet er kunstvolle Girlanden aus Stakkati und Ornamenten. Dieser Kunstfertigkeit steht die Kammerakademie Potsdam in nichts nach. Unter Anleitung von Fagottist Sergio Azzolini musizieren sie in historischer Spielmanier Händels Concerto grosso B-Dur op. 3 Nr. 2 in straffer Artikulation, schroffen Dynamikwechseln und (im Largo) Wellen wiegender Klangwogen. Nicht weniger farbenreich und extrem differenziert breiten sie Vivaldis a-Moll-Fagottkonzert aus. Dabei kichert, lacht, bittet, überrumpelt und überredet das Soloinstrument wie mit Menschenzunge. Ein vergnügliches Wechselspiel, von edlem Streicherklang garniert. Seufzend und sanftmütig hört sich das Larghetto an, keck das Allegro. Azzolini treibt seine Musiker in die interpretatorische Perfektion. Der Jubel ufert aus. Peter Buske

Peter Buske

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