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Kultur: Wahl- und Qualverwandtschaften?

Das 10. Jewish Film Festival Berlin vom 17. bis 22. Juni zu Gast im Filmmuseum

Das 10. Jewish Film Festival Berlin vom 17. bis 22. Juni zu Gast im Filmmuseum Von Lene Zade Ein Video-Game-süchtiger Schwede, der den Nintendo World Cup Games entgegenfiebert, hat auf den ersten Blick wenig mit jüdischer Kultur zu tun. Doch gerade der Film „Bit by Bit“ von Jonathan Metzger (2002), der beim 10. Jewish Film Festival Berlin gezeigt wird, bietet einen Einblick in religiöse Riten und jüdisches Selbstverständnis. Denn der 25jährige Protagonist J. muss seinen Lebenstraum, Nintendo-Weltmeister zu werden, mit dem Seder-Fest, einem wichtigen jüdischen Familienfest, vereinbaren, was für ihn in einer Katastrophe endet. In Rückblicken rasant erzählt, scheut sich der Film nicht vor makabrem Witz und drastischen Bildern und beeindruckt vor allem durch die Beiläufigkeit mit der er jüdisches Familienleben in Schweden thematisiert. Vom 17. bis zum 22. Juni ist das jüdische Filmfestivals erstmals auch zu Gast im Filmmuseum. Unter dem diesjährigen Titel „Wahlverwandschaften? Qualverwandschaften“, werden sechs Kurz-, Dokumentar- und Spielfilme aus den USA, Israel, Argentinien, Portugal und eben Schweden gezeigt. Die formal unterschiedlichen Filme verbindet ein Thema: die Familie, dieses soziale Netzwerk, dessen Bedeutung häufig erst durch Verlust spürbar wird. In „Daniel“, nach einem Roman von E.L. Doctorow , erzählt der Sohn die Lebensgeschichte seiner Eltern, die als Anhänger kommunistischer Ideale in die Frontlinie des Kalten Krieges geritten und 1953 wegen angeblichen Verrats von Atomgeheimnissen hingerichtet wurden. Erst nach dem Selbstmordversuch der Schwester, die nicht mehr ins Leben zurückfindet, erkennt Daniel, wie traumatisierend die Erfahrung von existenzieller Rechtlosigkeit auch für ihn sind. Sein insistierendes Nachforschen fördert zu Tage, dass nach wie vor lieber ausgegrenzt als nachgefragt wird. Statt das Unrecht zu verurteilen, sieht jeder, den er befragt, die Schuld bei den Opfern. Der 1983 entstandene Film von Sidney Lumet erinnert nicht ohne Pathos, dass auch Demokratien immer wieder erneuert werden müssen, um der Gefahr menschenverachtender Ideologien zu entgehen. So ist der Film, der am 17. Juni gezeigt wird, guter, aufwühlender Geschichtsunterricht. Die Kinder der tatsächlich hingerichteten Rosenbergs, an deren Schicksal sich Buch und Film orientieren, adoptierten der Lehrer Abel Meeropol und seine Frau. Ihm ist der zweite Film des Abends gewidmet. Die sehenswerte Dokumentation „Strange Fruits“, erinnert an ihn als den Komponisten des Jazzklassikers, der Billy Holiday bekannt machte und der unzählige Male von so unterschiedlichen Künstlern wie Pete Seeger, Sting, Diana Ross und Jeff Buckley gecovert wurde. Die besungenen „Seltsamen Früchte“, schwarze Körper, die der Wind wiegt und deren Blut die Wurzeln der Bäume nährt, sind Opfer von Lynchorden in den Südstaaten der USA. Der Regisseur Joel Katz, der zur Präsentation seines Filmes anwesend sein wird, berichtet, anhand vieler Interviews, wie das schlichte eindringliche Lied zu einem Symbol der Antirassismusbewegung wurde. Mit ganz anderen Mitteln dokumentiert Daniel Blaufuks, der mit seinem Film „Under strange Skies“ (2002) am 22. Juni ins Filmmuseum kommt, seine Familiengeschichte. Fotos und Amateurfilmaufnahmen zeugen von der Ankunft seiner Großeltern in Lissabon, die in Portugal blieben, während die meisten anderen Flüchtlinge nach Amerika weiterreisten. Der Film verknüpft individuelles Schicksal mit der Rekonstruktion historischer Ereignisse und den Berichten berühmter Zeitgenossen und vermittelt eindrücklich ein Lebensgefühl im Exil. Nach Argentinien kehrt der Vater in dem Spielfilm „El Abrazo Partido“ von Daniel Burman (2004) aus Israel zurück und muss sich den Fragen des Sohnes stellen (22. Juni). Die aktuelle Situation in Israel ist Gegenstand von 31 Kurzfilmen, die am 21. Juni zu sehen sind.

Lene Zade

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