zum Hauptinhalt

Kultur: Wenn Witze zu lange dauern

Premiere der Musikalischen Komödie „Salon Dédé“ im Brandenburgischen Kunstverein

Premiere der Musikalischen Komödie „Salon Dédé“ im Brandenburgischen Kunstverein Wer einen Schuhladen kauft, nur weil die Dame seines Begehrens erwähnte, dass Schuhläden sich für heimliche Treffen eigneten, den muss es ziemlich erwischt haben. Außerdem muss er reich sein. Bei André scheint beides gegeben. Er denkt nur an die Dame seines Herzens, deren Namen ihm leider entfällt, weshalb er „Odette“ auf seiner Manschette schriftlich fixiert. Der übliche Zweck eines Schuhsalons interessiert ihn wenig. Die erstbesten Damen in Reichweite stellt er als Verkäuferinnen ein: zwei Prostituierte von den Straßen des Paris der 20er Jahre. Und als 1. Verkäuferin wirbt er kurzerhand dem Anwalt, der seinen Ankauf regelt, die Sekretärin ab, Denise. Einen Freund, der nicht mit Geld umgehen kann, macht er zum Geschäftsführer (als überzeugender Playboy: Thorsten Grasshoff). Der Salon soll weniger Schuhe verkaufen, als eine angenehme Verführungs-Atmosphäre verbreiten. „Salon Dédé oder Schuster der Liebe“ von Albert Willemetz mit der Musik von Henri Christiné war 1921 in Paris ein großer Erfolg. Die freie Gruppe um den Regisseur Horst-J. Lonius, zu der einige ehemalige HOT-Schauspieler gehören, hat diese „Musikalische Komödie“ übersetzt und im Brandenburgischen Kunstverein zur deutschen Erstaufführung gebracht. Die Inszenierung bemüht sich, die begrenzten räumlichen Bedingungen und das hauptsächlich aus Schuhregalen mit Kartons und einer halbrunden kunstledernen Sitzbank bestehende Bühnenbild (Anja Laterne) slapstickmäßig auszureizen. Sie bemüht sich auch, die Schlüpfrigkeiten des Themas deutlich zu bedienen. Alexandra Röhrer und Sophia Löffler müssen als Prostituierte-Verkäuferinnen nicht nur permanent ihre Rundungen und verführerische Mienen ins Publikum halten, sondern auch die erotischen Seiten des Abstaubens, Schuheausziehens und Kartontragens üben. Was meist so übertrieben und platt geschah, dass es nicht mehr komisch war, geschweige denn erotisch. Übertreibung war insgesamt angesagt. Leider zog es auch Langatmigkeit und Unverständlichkeit nach sich. Lange dauerte es, bis sich der Sinn einer Szene erschloss, bis klar wurde, was die einzelnen Figuren auf der Bühne wollten. Und manchmal gingen sie wieder ab und man wusste es immer noch nicht, wie bei dem gehörnten Ehemann und ehemaligen Salonbesitzer (Marc Pohl), der, wie die meisten anderen, bis zum Schluss nicht ahnt, dass ihm die ganze Komödie gilt. Auch Tanz und Gesang, vom Klavier (Sheila Elz) begleitet, schafften es nicht, mit Temperament zu unterhalten. Die Tanzeinlagen waren brav und lahm, der Gesang dünn. Nur Robert Putzinger (André) und Caroline Scholze (Odette) füllten den Raum und brachten Genuss für die Ohren. Katharina Voß gelang ein herrlich spannungsgeladener Auftritt im weißen Spitzenunterkleid und viele trockene Bemerkungen, die saßen. Doch nur selten trotzte sie ihrer Denise glaubhafte Gefühle ab, die sofort die Aufmerksamkeit fesselten. Meist ließ sie sich, wie die anderen, dazu hinreißen, witzige Masken vorzuführen, die schnell langweilig wurden. So fragte man sich zum Beispiel, warum Denise permanent verärgert ist, obwohl sie doch verliebt ist, und warum sie André überhaupt derartig liebt. War das Einstellungsgespräch so überwältigend? Vielleicht ging die knapp dreistündige Premiere auch deshalb belanglos an einem vorüber, weil es der Inszenierung nicht gelungen ist, die Komödie in irgendeiner Form zu uns zu holen. Es gab nur den Auftritt streikender Schuster, die kurz in der kämpferischen Pose von in den Sozialismus aufbrechenden Arbeitern erstarrten, wie jene gigantischen Bronzeplastiken. Wenn schon keine Gegenwart, dann ein richtiges Paris der 20er Jahre. Aber auch das fand sich in der Atmosphäre nirgends. Das wohlwollende Premierenpublikum amüsierte sich und jubelte ausdauernd. Dagmar Schnürer Vorstellungen: 4./5. und 9.-12. Juni 2005, 20 Uhr, Luisenforum

Dagmar Schnürer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false