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Kultur: Wie dem Kater Zorbas Flügel wuchsen Das Dorftheater Siemitz bei den KinderkulturTagen

Das Tulpenfest war eindeutig im Vorteil am vergangenen Wochenende. Nur wenige Familien kamen am Sonntag ins T-Werk zur Eröffnung der 11.

Das Tulpenfest war eindeutig im Vorteil am vergangenen Wochenende. Nur wenige Familien kamen am Sonntag ins T-Werk zur Eröffnung der 11. KinderkulturTage, die die Veranstalter vom kühlen regnerischen Herbst nun ins Frühjahr verlegt haben. Wer aber bereit war, eine Sonnenstunde herzugeben für den Besuch des Theaterstücks vom „Kater Zorbas, der der kleinen Möwe das Fliegen beibrachte“, musste auf Wärme nicht verzichten. Sabine Zinnecker vom mecklenburgischen Dorftheater Siemitz erzählte mit großer Güte und Nähe zu ihren Zuschauern Luis Sepulvedas bekannte Geschichte, in der sich ein Kater um das Küken einer gestorbenen Möwe kümmert. Als Hamburger Junge mit plattdeutschem Slang und rauwindiger Herzlichkeit zog sie die Kinder von Beginn an in die Erzählung hinein, indem sie fragte, was man am Meer alles sehen kann. Zu jedem Vorschlag erfand sie eine passende Strophe für einen Shanty, den sie inbrünstig sang, dazu das Schifferklavier tiefen Atem holte. Wer genau hinhörte, spürte die Brise, die durch den Theaterraum ging, das Meeresrauschen, den Geruch von Seetang, das hohe Schreien der Möwen. Und tatsächlich kam eine Möwe geflogen, ein Unglücksvogel, dessen Öl verschmiertes Federkleid ihm die Lenkung versagte. Er stürzte auf einen Balkon, mitten hinein in Zorbas'' schnurriges Katzenleben. Von nun an wechselte Sabine Zinnecker die Rollen, sprang zwischen den handelnden Tier-Personen hin und her, lieh jeder Puppe Hand und Stimme, um sich sogleich als Erzählerin wieder dem Publikum zuzuwenden. Als die Möwe gestorben war, ließ sie das Schifferklavier weinen. Und als der dicke Zorbas sich wärmend und behutsam über das mutterlose Ei legte, zählte sie mit dem Publikum stimmlos an den Fingern ab, wie viele Tage der Kater noch brüten muss, bis das Küken schlüpfen würde. Was den Kindern aus dem eigenen Spiel so selbstverständlich erscheint, nämlich ständig die Position zu wechseln und sich in immer andere Figuren hineinzuversetzen, verlangt der Schauspielerin ein Höchstmaß an Konzentration ab. Dass ihr Spiel dennoch leicht und fließend über die Bühne ging, die Übergänge zwischen Agieren, Erzählen und Musizieren kaum merklich waren, deutet auf gut beherrschtes Handwerk hin, das Sabine Zinnecker an der Berliner Ernst-Busch-Schule gelernt hat. Kein Moment blieb leer. Hektisches Treiben wechselte mit Phasen der Nachdenklichkeit. So war immer genug Zeit, das gerade Gesehene und Gehörte zu verarbeiten und nachzuempfinden. Wenn Kinder von ihren Stühlen aufspringen, laut dazwischen rufen und von Gefahr bedrohte Figuren zu warnen versuchen, dann sind sie im besten Sinne gefangen und es braucht, wie in diesem Theaterstück, keine pädagogischen Hebel. Über die Identifikation mit dem Kater vermittelte sich wie von selbst, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen, sich um ein schutzloses Wesen zu kümmern, die eigene Angst zu überwinden, um dem Schwächeren Mut machen zu können. Nur so gelang es dem Kater schließlich, der kleinen Möwe das Fliegen beizubringen. Antje Horn-Conrad

Antje Horn-Conrad

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