zum Hauptinhalt

Kultur: „Wir sind alle Kapitäne“

„Sommergalerie“ in der Bibliothek: Buchillustratoren stellen aus

„Sommergalerie“ in der Bibliothek: Buchillustratoren stellen aus Verkehrte Welt: Als der König eintritt, sitzt sein Narr auf dem Thron. Empört weist er den Spaßmacher vom hohen Sitz, doch dieser lacht. Der Monarch befiehlt und tobt bis zur Erschöpfung, doch bekommt er den Frechling nicht herunter. Noch immer lacht die Narrenkappe – der König hat verloren – wenigstens in diesem hoffnungsschweren Schwarz-Weiß-Comic von Olaf Thiede, einem von fünf Bildautoren aus Greifswald, Potsdam und Berlin, die seit Mittwoch in der „Sommergalerie“ der Stadt- und Landesbibliothek zu sehen sind. „Veröffentlichungen“ wurde diese Schau zu Recht benannt, denn die meisten der Zeichnungen, Grafiken und in Mischtechnik gemalten Exponate hat die Welt noch nie gesehen; leichte, bisweilen ausgelassene Bilderkost, passgerecht zur Jahreszeit. Geht es auch vorderhand „rund ums Buch“, so ist der Hintergrund nur in zwei Fällen ein literarischer: Von einem längeren Italienaufenthalt brachten Sven Marquardt (Text) und Frauke Herlyn (Illustrationen) die Idee zu ihrem „Unterwassererde“-Buch mit nach Hause, worin sich Spiralenmaulfisch und Flügeltierchen tummeln, indes eine singende Schildkröte frei nach Brecht, doch etwas ungereimt, „Und der Maulfisch/ der hat nie Zähne...“ ins Nasse schmettert. Die Mär gibt es auch auf einer CD, erhältlich im „Weinberg“, Holländerviertel. Das zweite Produkt ist in seiner zerstreuten Weltläufigkeit literarisch eher unbegreiflich. Maurice Woynowski schrieb mit dem „Tagebuch des Magnus Staub“ einen Sack voller Fragmente, welche Björn Gripinski – erstmals als Vorleser in die Öffentlichkeit tretend – etwa 20 Teilnehmern der Vernissage am Mittwoch zu Gehör brachte. Daraus war eigentlich nicht viel zu entnehmen, wüste Reflektionen, wie „Wir sind alle Kapitäne“, auf dem offenen Meere gesprochen, oder der Versuch, aus der Korrespondenz zwischen Maulwurf und Blindschleiche eine Tierfabel zu basteln. Zum Glück stand ihm mit Georg Jarek ein begnadeter Grafiker zur Seite, um die irdisch flüchtigen Sentenzen mit wenigen Strichen kunstvoll aus den Punkt zu bringen. Bewundernswert, wie geschickt er das Blatt aufzuteilen versteht. Die Greifswalderin Cornelia Harmel entwirft sich andere Welten, einerseits verspielte Spatzen- und Rabenkinder in filigranster Grafik, andererseits das Bild („Hab ich das wirklich gewollt?“) eines Mädchens, allzu früh schwanger geworden. Gut gemachte Sachen der beiden, gelernt ist eben gelernt. Ganz unbefangen ist der Ansatz von Illustratorin Michaela Koch. Ihre farbenfrohen Arbeiten, von „Mückimaus“ über eine postbotende Eule bis zu den tanzenden Kühen und niedlichen Schweinchen, sind voller Naivität und närrischen Frohsinns. Softjazzig untermalte das Duo „Two in One“ (Matthias Opitz, E-Piano, Fabian Füssel, Sax.) den Abend. Trotz knallender Sektkorken im Hintergrund stellte Christiane Winkler im Auftrag der ausführenden Agentur „kunsttick“ Werk und Künstler in kurzen Worten vor. Allzukurz blieb auch die Lesung, um sich ein Bild zu machen. Nach einer Stunde war an diesem heißen Sommerabend alles vorbei. Dabei ist in dieser Exposition eigentlich alles interessant: die Versammlung unterschiedlicher Temperamente und Handschriften, aber auch das veröffentlichte Werkporträt von fünf „Kapitänen“, ein jeder für sich. So findet man weitere Comics von Thiede, andere, geradezu verlockend schöne Bildgrafik von Jarek. Gute Arbeit also von Ausstellungsmachern und Schöpfern – sehenswert noch bis zum 22. August. Gerold Paul

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false