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Kultur: Wissen, wovon man singt

„Opus Vocale“ sang in der Erlöserkirche

„Opus Vocale“ sang in der Erlöserkirche In dieser dramatischen Ausdruckskraft und Heftigkeit gleicht das Schluss-Amen von Leos Janaceks mehrteiliger „Vaterunser“-Vertonung beileibe keiner beruhigenden finalen Liturgiefloskel, sondern vielmehr dem sozialen Aufschrei nach Brot. Davon ist die gesamte Komposition für Tenor solo, Harfen- und Orgelbegleitung des mährischen Komponisten durchdrungen. Sie steht am Beginn eines ungewöhnlichen Konzertes mit geistlicher Musik aus Osteuropa, für die sich das 22-köpfige studentische Chorensemble „Opus Vocale“ in der leider nur spärlich besetzten Erlöserkirche engagiert einsetzt. Prononciert und plastisch trägt es das fern jeglichen religiösen Fanatismus“ vertonte Paternoster vor, zu dem sich Janacek von Bildern des polnischen Malers Malers Josef Mecina-Krzesz hat anregen lassen. Dessen idealistischen Jesus-Illustrationen entspricht der Tondichter keinesfalls, sondern er stellt den Menschen, den Bauern und Arbeiter seiner Heimat, in den musikalischen Mittelpunkt. Mitleid mit Unterdrückten, Armen und sozial Schwachen – das ist Janaceks Absicht und Botschaft. Dieses gleichsam weltlich-politische Bekenntnis trägt der Chor unter seinem Gründer und künstlerischen Leiter Volker Hedtfeld, der seit 2003 an der Berliner Musikhochschule „Hanns Eisler“ Chordirigieren bei Jörg-Peter Weigle studiert, kraftvoll, aber immer wieder auch sehr verinnerlicht vor. Man hört, dass die gut geschulten Sängerinnen und Sänger wissen, wovon sie singen. Sie intonieren sauber, klingen präzise zusammen. „Dein Reich komme“ – lyrisch und klar konturiert trägt René Voßkühler den Tenorpart vor. Apart begleiten Orgel (Felizitas Rodach) und Harfe (Aurélien Bello), in mitunter raffinierten Klangkombinationen. „Unser täglich Brot“ – chorjubilierend wird es gleichsam fordernd herbeigesungen. Und zwar auffallend homogen und fast ohne stimmliche Schärfen. Dagegen scheint eine leichte Schroffheit ihrem Wollen geschuldet, dem slawischen Idiom möglichst nahe zu kommen. Das gelingt ihnen bei der Wiedergabe von Antonin Dvoraks Messe D-Dur op. 86, einem Auftragswerk zur Einweihung einer dörflichen Kapelle, ebenfalls vorzüglich. Auch hier singen sie kein Weihrauch, begeistern stattdessen mit Reinheit, Klarheit und Festigkeit ihrer Stimmen. Prägnant und mit vollem Einsatz jubilieren sie das Gloria zwischen Verinnerlichung und kraftvollem Bekenntnis, treffen nicht minder famos den mitunter psalmodierenden Ton des Credos. Auch in den anderen Sätzen wissen sie die einfache musikalische Struktur, eingefangen als eine reizvolle Mischung aus sakralem Ton, heiterer Atmosphäre der böhmischen Landschaft und der Schlichtheit eines religiös verwurzelten Landvolks, zu überzeugender Geltung zu bringen. Ganz auf dieser Linie liegt auch die Präsentation der „Laudes Organi“ (Lob der Orgel) von Zoltan Kodaly, die einst ein Auftrag der American Guild of Organists war. Der Text eines Anonymus stammt aus dem 12. Jahrhundert und wird liturgisch zur Einweihung neuer Orgeln gelesen. Darin heißt es u. a.: „Lass dein Handwerk hören und übe deine Kunst aus, zeige das Können deines Körpers und die Würde deines Geistes.“ Kodaly vertonte ihn und andere Spielvorschläge („Sorge zuvor für den Blasebalg, um genügend Luft zu haben“) entsprechend tonmalerisch. Kein Wunder, das das Instrument mit einer längeren Einleitung sich ins rechte Licht rücken darf. Die Schuke-Orgel erweist sich dabei als ein erstklassiges Medium. Das schnarrende Register der Vox humana kommt dabei zum Zuge, um das solide und sonore Können des Chores nachdrücklich zu unterstützen. In der lauten Höhe ist eine (vermeidbare) stimmliche Härte nicht zu überhören. Und so hört es sich dort, weil zu stark forciert wird, leider wenig geschmeidig an. Das „Amen“ dann atmet nahezu gregorianische Eindringlichkeit und krönt eine Wiedergabe, die für die spröde Sprache von Kodaly den rechten Ton getroffen hat. Der abschließende Beifall kommt von Herzen.Peter Buske

Peter Buske

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