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Kultur: Wortakrobatik Ernst Jandl-Abend

in der Galerie Ruhnke

Seine Gedichte rühren gerne hart an die Grenzen der Absurdität. Und doch gehorchen die Buchstaben einer inneren Logik und zeugen, weit mehr als auf den ersten Blick erkennbar, von tieferem Sinn und sehr viel Verstand. In der Galerie Ruhnke in der Charlottenstraße waren alle Zeichen auf den österreichischen Dichter und Literaten Ernst Jandl (1925-2000) gestellt. Wortwitz und Wiener Esprit dieses bedeutenden Vertreters der deutschsprachigen experimentellen Lyrik hat die Münchener Performerin und Schauspielerin Ruth Geiersberger in einer eigens komponierten Melange zu Gehör aufgebracht.

Es dauert keine fünf Minuten, da sind der spritzig rüberkommenden Künstlerin mit dem kecken Nähgarnbroschenutensil unterm schwarzen Dekolleté die Sympathien des Publikums so gut wie gewiss. In einer flotten Nummernrevue raunt, schmettert und gurrt Geiersberger die Jandlschen Zungenbrecher und Kalauer, mal sitzend, kniend oder auf ihrem Stuhl balancierend ins Auditorium. Mit der ausdrucksstark vorgetragenen ausgewogenen Zusammenstellung aus Lyrik und Prosa gelingt ihr ein eindrucksvoller Parcours durch das Jandlsche Spektrum. Mit unkonventionellem Geist und diebischem Vergnügen an Wortspielereien erwies sich Jandl bis zuletzt als virtuoser Buchstaben-Jongleur. Das akustische Erleben seiner verschriftlichen Gedanken und witzigen Einfälle lag ihm besonders am Herzen. Davon zeugen allein die zahlreichen Aufzeichnungen seiner Lesungen, die für ihn eine wichtige Rolle spielten. Ruth Geiersberger, die mit Gastgeber Werner Ruhnke ihre Liebe für Jandls Texte teilt, schlüpft in die ausgelassene Komik, aber auch in die immer wieder um die großen Fragen des Lebens kreisende Nachdenklichkeit Ernst Jandls wie in eine zweite Haut. So kommen die verschiedenen literarischen Kostproben aus „Laut und Luise“, „peter und die kuh“ und „aus dem wirklichen leben“ ganz und gar authentisch rüber. Der dramaturgische Kunstgriff der Schauspielerin, den stimmgewaltigen Schriftsteller während des kurzweiligen Programms per CD-Einspielung mit Auszügen aus seinen Lesungen selbst zu Wort kommen zu lassen, ist intelligent und rundet den Abend einfühlsam ab.

Schön ist auch die Auswahl der bei abgedimmtem Licht vorgetragenen Liebesgedichte, die Ernst Jandl und die Wiener Lyrikerin Friederike Mayröcker seit ihrer Begegnung im Jahr 1954 einander widmeten. Ruth Geiersberger läuft während ihrer abwechslungsreich gestalteten Performance zu Hochform auf. In ihrer ansteckenden Begeisterung für den Klangreichtum und die Musikalität von Sprache und in ihrer bereits früh entdeckten „Lust am Spiel mit Worten“ scheint eine direkte Seelenverwandtschaft mit Jandl auf. Der süddeutsche Sprachschmelz der Münchnerin, die sich den Vortrag verschiedener in Wiener Mundart abgefasster Verse freilich nicht verkneift, tut sein übriges, um unsere preußischen Trommelfelle in ganz andere Schwingungen zu versetzen.

Ein Abend alles in allem, der Ernst Jandl alle Ehre macht und darüber hinaus einen geschmackvollen Ein- und Ausstieg durch eigens entworfene Kreationen des unmittelbar benachbarten Kultur Kunst Café 11-line fand. Als kulinarischer Beitrag zum Abend wurden hier lyrische Buchstabensuppe, Antipoden-Salat und GrrKrr mit Oliven und Thymian, begleitet von einem Affentäler Spätburgunder, kredenzt.Almut Andreae

Almut AndreaeD

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