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Marode Fassaden. Alfred Schmidt hat aus seinem Depot ganz unbekannte Arbeiten herausgesucht und zeigt sie ab heutigen Donnerstag im Potsdam-Museum in der Benkertstraße 3. Zu seinen Potsdam-Bildern gehört auch das Pastell des Hinterhofs in der Mittelstraße 37, gemalt 1996.

© Andreas Klaer

Kultur: Zurück in die dunkle Zeit

Alfred Schmidt zeigt sich in der Ausstellung zu seinem 70. Geburtstag auch von einer unbekannten Seite

Wer eine Ausstellung mit seinen vertrauten Blumen- und Landschaftsbildern erwartet, wird enttäuscht sein. Alfred Schmidt offenbart zu seiner Jubiläumsschau eine weithin unbekannte Seite seiner Malerei. Er zeigt passend zum Ausstellungsort im Holländischen Viertel die Veränderung der Stadt vor und nach der Wende: marode Fassaden, dunkle Hausdurchgänge, strenge Dachlandschaften, Häuser beim Abriss: schroffe Schwarz-Weiß-Grafiken neben farbenfrohen Pastellen besetzter Häuser.

Der gebürtige Potsdamer hat sich entschlossen, zu seinem 70. Geburtstag zum Teil nie gezeigte Arbeiten aus seinem bis zur Decke vollgestapelten Archivraum hervorzuholen. Seit Wochen schon schneidet er in der sehr großzügigen Wohnung in der Berliner Straße neue Paspartouts zu, um die alten vergilbten auszutauschen. Taggenau zum Geburtstag zeigt er ab heutigen Donnerstag in vier Räumen des Potsdam-Museums in der Benkertstraße 3 seine zumeist recht düsteren Potsdam-Sichten. Da diese Ausstellung von der Stadt ausgerichtet wird, musste er auf keinen Galeristen hören, die darauf dringen, nicht zu dunkel und auch nicht zu große Bilder zu zeigen, die es schwer beim Kunden haben. Hier kann er auch sein weithin unbekanntes Werk in die Öffentlichkeit bringen, offenbaren, dass sein Werk viel facettenreicher ist als weithin bekannt. Und gerade dieser kantige Schmidt hat seinen besonderen Reiz. Er erzählt spannende Stadtgeschichte, die gerade heute im fast perfekt sanierten Potsdam kaum mehr zu erahnen ist.

Sein Schlüsselerlebnis hatte der Maler 1980. „Ich arbeitete damals als Farbgestalter bei der Sanierung der Brandenburger Straße und traf öfter mit der Vize-Chefin der Denkmalpflege, Johanna Neuperdt, zusammen. Sie zeigte mir mit Tränen in den Augen, wie barocke Häuser an der Neustädter Havelbucht weggerissen wurden, um dem sozialistischen Wohnungsbau zu weichen. Die Denkmalpfleger hatten in der DDR nicht viel zu sagen und mussten beim Abriss zuschauen.“ Der „Froschkasten“ überlebte und den hielt er 1980 auf seiner ersten Grafik fest. Dieses unwiederbringlich Verlorene war es, das Alfred Schmidt anrührte und ihn dazu trieb, Häuser auf die Leinwand zu bannen, bevor sie ganz verschwunden sind. Wie die zwei Holländer Häuser, die unter die Abrissbirne kamen, weil vor dem Krankenhaus ein Hubschrauberlandeplatz errichtet wurde. Ob am Kanal, in der Zeppelinstraße, die damals noch Leninallee hieß – überall wurden Häuser plattgemacht. „Meist in den Ferien in Nacht- und Nebelaktionen. Auch die Gutenbergstraße sollte dran glauben. Daher rührt wohl meine Detailfreude, bin ich so pingelig geworden. Es war die Angst, dass alles verschwindet und nur noch aalglatte Fassaden bleiben.“ Alfred Schmidt ist malender Chronist. Seine Arbeiten dokumentieren den mit der Brechstange betriebenen Städtebau der DDR und zeigen historische Fassaden, die Anfang der 90er Jahre aussahen wie nach dem Krieg. Ihm geht es um Authentizität und Genauigkeit. Wenn er Fenster malt, stimmt auch die Anzahl der Sprossen. Und doch atmen seine Bilder eine ganz eigene Melancholie.

Der weißbärtige Mann mit der warmen Stimme fühlt sich in der Tradition der havelländischen Malerkolonie. Und so führt der Weg in seinem langen Flur auch vorbei an Bildern von Otto Heinrich, Hans Klohs oder Karl Hagemeister. Sie alle waren unterwegs, um auf heimatlichen Pfaden die jahreszeitlichen Stimmungen festzuhalten. Alfred Schmidt eifert ihnen beseelt nach. Auch ihm gehen die Motive dabei nicht aus. „Ich fahre viel mit dem Fahrrad umher und finde immer Ecken, die ich so noch nicht gesehen habe.“

Immer wieder waren es äußere Anlässe, die ihn zu Neuem bewegten. „Meine ersten Blumenbilder malte ich für Freundinnen, weil es keine Blumen in der DDR zu kaufen gab.“ Und er zeigt eine Miniatur mit Veilchengruß. Er hat sehr klein angefangen. Mehr war in seinem ersten Atelier unterm Dach der Rumpf-Villa am Heiligen See, das er nur mit Leiter ersteigen konnte, nicht möglich. Von den Künstlern wurde der Autodidakt mit den Streichholzschachtel großen Arbeiten nur milde belächelt. Doch bald verdiente er mit diesen Winzlingen so viel Geld, dass er sich freischaffend machen konnte. Alfred Schmidt war damit ein Exot, denn der Ingenieur für Farb- und Oberflächengestaltung hatte weder Malerei studiert noch war er Verbandsmitglied. Erst als es eine Arbeit über die Dachlandschaft in der Hermann-Elflein-Straße 1988 in die jährlich gekürten „100 ausgewählten Grafiken der DDR“ schaffte und er als einer der wenigen Potsdamer zur IX. Kunstausstellung der DDR in Dresden dabei sein durfte, war das sein Durchbruch.

Und dann gab es 1992 in der Galerie am Neuen Palais eine viel beachtete Personalausstellung. „Ich sah diese riesige Stirnwand und wusste, jetzt musst du auch groß malen.“ Zwei seiner stattlichen Schilfbilder von damals wird er auch in der Benkertstraße zeigen. Heute malt Schmidt nur noch selten so großformatig, obwohl ihm das viel leichter fällt, mit ausladender Geste in den Schwung der Linie zu gehen. „Um Kleines zu malen, ist man viel verkrampfter. Aber die Leute haben keine freien Wände, um große Bilder zu hängen.“ Um seine Miete in der neuen Wohnung am Tiefen See mit dem kleinen Garten und dem traumhaften Blick zum Flatowturm bezahlen zu können, muss er aber immer mit ans Verkaufen denken. „Früher erlaubte ich mir solche Sachen wie die Grafiken der Abrisshäuser öfter, auch wenn sie keiner ausstellen wollte.“ Dennoch gibt er nie seine besten Bilder weg. „Manche sind nicht wiederholbar“. Dazu gehören seine zwei letzten großen Schilfbilder, die er für die Ausstellung von der Wand über seiner Couch abhängt. Ebenso wie ein Ölbild vom Heiligen See, auf dem die Russen, die damals in Potsdam stationiert waren, eisangeln.

Er hat früher oft in Öl gemalt. Irgendwann fiel das Öl weg, so wie die Porträts und die Akte. Was blieb, waren Landschaften und seine geliebten Blumen. Ab und an gönnt er sich noch die Spielwiese, auf der er sich ganz nach eigenem Gustos austobt. Das finanzielle Unterpfand dazu bietet ihm sein Kalender, der inzwischen in der 18. Auflage vorliegt. „Er ist ein Glücksfall für mich. Die Idee dazu hatte die Inhaberin des Internationalen Buchs, Heidelore Bellin. Sie wollte zur 750-Jahr-Feier Potsdams etwas Besonderes über die Stadt im Angebot haben und finanzierte den ersten Kalender. Vorher hatte ich nie Sanssouci-Bilder gemalt.“ Ab dem zweiten Jahr gab Schmidt seine Jahresweiser selbst heraus. Inzwischen haben sie Liebhaber in ganz Deutschland gefunden. Und so kennen die meisten eben nur seine Blumen- und Kalenderbilder.

In der Jubiläumsschau kann man nun also einen anderen Alfred Schmidt kennenlernen. „Ich habe selbst einen Schreck bekommen, wie düster ich am Ende der DDR gemalt habe. Aber so war damals die Stimmung. Nach der Wende wollten unsere Leute diese Tristesse nicht mehr sehen.“ Inzwischen dürfte sich das durchaus geändert haben. Für Alfred Schmidt war es jedenfalls ein gutes Gefühl, zurückzublicken auf das, was er einst gemalt hat: auch in der dunklen Zeit.

Eröffnung am heutigen Donnerstag, 6. Dezember, 19 Uhr, Benkertstraße 3. Bis 30. Dezember, Mi bis So 13 bis 17 Uhr

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