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KulTOUR: Affinität zu zeitgenössischen Klängen Frauenvokalensemble St. Matthäus beim Jahresschlusskonzert in Geltow

Schwielowsee · Geltow - „Heute ist Christus geboren, heute erschien der Erlöser“, heißt es in einem gregorianischen Prozessionsgesang, mit dem sich Benjamin Brittens neunteiliger Weihnachtsliederzyklus „A Ceremony of Carols“ eröffnet und beschließt. Er rahmt Vertonungen auf Texte anonymer Verfasser aus dem 14.

Schwielowsee · Geltow - „Heute ist Christus geboren, heute erschien der Erlöser“, heißt es in einem gregorianischen Prozessionsgesang, mit dem sich Benjamin Brittens neunteiliger Weihnachtsliederzyklus „A Ceremony of Carols“ eröffnet und beschließt. Er rahmt Vertonungen auf Texte anonymer Verfasser aus dem 14. bis 16. Jahrhundert, die von jenem „schwachen, zarten Baby“ erzählen, das „zitternd in einer frostigen Winternacht in einer schlichten Krippe“ liegt.

Nun, frostig war der späte Samstagnachmittag nicht, eher regennass, als Brittens Botschaft innerhalb eines ungewöhnlichen, fast ausschließlich aus zeitgenössischen Werken bestehenden (Nach-)Weihnachtskonzert mit dem Frauenvokalensemble von St. Matthäus Berlin in der Dorfkirche Geltow erklang. Zu diesem traditionellen Jahresschlusskonzert hatte auch das Kulturforum Schwielowsee e.V. eingeladen, das erstmals in diesem adrett hergerichteten, vollbesetzten Gotteshaus in Erscheinung trat.

Den Erwartungen der Musikfreunde, man merkte es den Mienen an, wurde in jedem Takt und jeder Note entsprochen. Erst im Frühjahr 2006 unter Obhut von Lothar Knappe (Organist und Leiter der Musik in St. Matthäus im Kulturforum) gegründet, hat das Ensemble in kurzer Zeit zu einem einheitlichen und harmonischen Chorklang gefunden. Die acht Sängerinnen verfügen über solistische Qualitäten und reiche Erfahrungen im Ensemblegesang, tönen klar und sauber, wissen wovon sie singen und die Stücke künden.

Wie im Brittenschen Opusteil „Deo gratias“, das sie freudig bewegt und kraftvoll zur Harfenbegleitung anstimmten. Diesem Innigkeit und Intimität verbreitenden Instrument entzupfte Katharina Hanstedt die herrlichsten Klänge. Im Solo „Noëls“ von Marcel Tournier (1879-1951) umschlossen pastorale Ecksätze einen virtuos-brillanten Mittelteil. Alle romantischen Wege waren dagegen im Harfensolo „trena“ (Gefängnis), einer klangspröden Novität der komponierenden Ensemblesängerin Margarete Huber (geb. 1972), verlassen. Stattdessen sorgten extreme Spiellagen und ungewöhnliche Techniken für Aufmerksamkeit.

Dem Titel entsprachen sowohl enggeführte als auch klangraumsprengende Passagen. Aufgeregte, klirrend klingende Zupfarbeiten wechselten mit beklemmend-unruhigen Tonfolgen, denen wiederum gleitende, sanfte Effekte folgten. Wurden in den hohen Tonlagen die Saiten oft hart angerissen, perlten von ihnen urplötzlich weiche Akkorde. Unter Katharina Hanstedts flinken, technisch versierten Fingern entstand so ein klangfarbenreiches Panorama seelischer Befindlichkeiten. Zum Schluss schwirren und entgleiten die Klänge ins Nichts – als hätten sie die Gefängnismauern überwunden. Der Uraufführung fiel viel Beifall zu.

Als einfühlsame Begleiterin wusste die Harfenistin nicht weniger zu begeistern. Mit großem Einfühlungsvermögen umspielte sie den Lisztschen Chorsatz „O heilige Nacht“, setzte dem Zyklus „Dizionario greco“ (Griechisches Wörterbuch) für Frauenstimmen und Harfe von Petr Eben (geb. 1929) starke Akzente. Die Chöre sind jeweils auf ein Wort komponiert, suchen dessen Sinn musikalisch zu fassen, klangmalerisch aus- und umzudeuten. Der Assoziationen sind zwischen Aganaktesis (Zorn), Kalokagathia (Tugend), Megalofrosyne (Stolz) und Algedon (Schmerz) keinerlei Grenzen gesetzt. Sehr eindeutig hört sich dagegen Amfisbetesis (Zwist) an, sozusagen ein stimmlicher Zickenkrieg. Staunenswert, wie das Frauenensemble vertrackte Rhythmen und anspruchsvolle Harmonik meisterte. Dessen starke Affinität zu zeitgenössischen Klängen war unüberhörbar, der Beifallsdank anhaltend.

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