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Von Henry Klix: Alle Register gezogen

Mit dem Mühlenbau in Werder will sich die Baubranche ins positive Licht rücken

Werder - Ronny Meyer hat ein kleines Bauleitungsbüro in Darmstadt. Die schlechten Nachrichten, die ständig zur Baubranche über die Mattscheibe flimmern, sind dem 42-Jährigen mächtig auf die Nerven gegangen. Schwarze Schafe bei den Kollegen, Pfusch an Neubauten, Schwarzarbeit, Korruption – das Fernsehen ist voll mit solchen Dokumentationen. „Alle Register, die wir im Bauen kennen, zu ziehen, mal darzustellen dass die deutsche Bauindustrie weltweite Spitzenklasse ist“ – für Ronny Meyer war es eine Aufgabe, die sich auch nur mit dem Fernsehen umsetzen ließe.

Er fand Partner für die Idee, wie den Architekten Michael Rebholz aus Bad Dürrheim oder die Firma Concepta Haus aus Brandenburg (Havel) – und schließlich mit der Janus TV auch eine Fernsehproduktionsfirma, die die Idee interessant fand. Vor zwei Jahren entstand für die Charity Aktion „RedNoseDay“ des Senders Pro Sieben ein Traumhaus mit höchster Energieeffizienz in Plaue. In Glowe auf Rügen wurde bald darauf für das K1-Magazin auf Kabel Eins ein bewohnbarer Leuchtturm mit 360-Grad-Rundum-Balkon gebaut. Unterhaltsam verpackt wurden den Zuschauer Ideen und Innovationen rund ums Bauen vermittelt.

Das kam so gut an, dass Kabel Eins Ronny Meyer und seinem Team eine einstündige Sendung zur besten Sendezeit für sein nächstes Projekt zur Verfügung stellte. „Deutschland schönstes Ferienhaus“ – so wirbt der Münchner Sender – entsteht in den Havelauen ein paar Meter vom Ufer des Zernsees entfernt. Am Mühlenbau in Werder (Havel) soll sich zeigen, ob die Errichtung origineller Bauten mit einer abschließenden Verlosung von 160 Quadratmetern reinstem Wohnluxus TV-zukunftsfähig ist. „Vier Flügel, Küche, Bad“, heißt die neunteilige Reihe, die Donnerstag um 20.15 Uhr (dann wöchentlich) startet. Per Zuschauer-Voting wird über Zimmeraufteilung, Farbgebung oder die Küchenmarke der achteckigen Wohn-Mühle abgestimmt. Wer mitmacht, nimmt an der Verlosung des Schmuckstücks nach Episode 9 teil.

Und Meyer und sein Architekt Michael Rebholz haben sich einiges einfallen lassen, um die Branche ins rechte Licht zu rücken: Der Clou sind natürlich die 16 Meter großen Mühlenflügel des achteckigen Baus an der GPS-gesteuerten Drehkuppel, die nicht den Wind sondern – mit Solarzellen bestückt – das Sonnenlicht einfangen sollen. Das soll für Strom und Luftwärmepumpe reichen. Das Bauteam hat noch mehr auf dem Kasten, wobei der Fernsehbezug nicht wegzureden ist: Angefangen im Bad mit Whirlpool, der Fernseher versteckt sich hinterm Spiegel.

Das Wohnzimmer lässt sich gleich zum Kinosaal umfunktionieren – die Möbel müssen nur zurechtgerollt werden, aus der Decke fährt die Leinwand herunter, und los geht“s. Der Hausschlüssel ist durch einen Chip ersetzt – wenn das Kind von der Schule kommt, sind der Haustechnikraum und bestimmte TV-Sender automatisch gesperrt. Die Fenster schließen bei Sturm automatisch, der Innenputz filtert Zigarettenqualm, die Galerie ist aus splitterfreiem Holz Laut Senderangaben betragen die reinen Bau- und Einrichtungskosten 450 000 Euro.

Die erste Sendung ist längst abgedreht. Die interessierten Werderaner können früher als die TV-Zuschauern verfolgen, wie die Mühle wächst. Statt eines Richtfestes wird zur „Halbzeit“ am 20. April, wenn die Flügel angeliefert werden, ein „Flügelfest“ gefeiert. Spaß und Einfallsreichtum sind angesagt, wenn die Baubranche aus dem Bildschirm strahlt. Und als Bauleiter Ronny Meyer dieser Tage erstmals den weiten Blick vom dritten Geschoss auf den Zernsee bewundern konnte, stotterte er einen Reim zusammen, der nun jeden Morgen – auch bei Regen, Wind und Wetter – ein fotogenes Lächeln auf die Gesichter der TV-Bauleute zaubern soll: „Wir sehen hier den Zernsee, den ich doch so gern seh, demnächst im Fernseh, unser Großer Zernsee.“

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