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KulTOUR: Am Mühlstein vorgelesen Veranstaltungsdebüt in neuer Kulturscheune Ferch

KulTOUR Schwielowsee · Ferch - „Kulturscheune Ferch? Kennen wir nicht.

KulTOUR Schwielowsee · Ferch - „Kulturscheune Ferch? Kennen wir nicht.“ Das war am Samstag im Fischerdorf von den Befragten mehrfach zu vernehmen. Wie auch, nach einer „Vorpremiere“ zur Fußball-Weltmeisterschaft 2002 war von diesem Haus am Mühlengrund 1 nahe der Fischerkirche außer Baulärm so viel nicht mehr zu hören. Seit letztem Sonnabend aber hat dieser inzwischen mehr als 1500 Seelen fassende Flecken einen „Musentempel“ mehr – die Kulturscheune eben, dereinst marode Unterkunft für Löschfahrzeuge, zu der, wie in Beelitz, sogar ein Holzturm zum Trocknen der Schläuche gehörte. Dietrich Coste und Cornelia Zuther erwarben diesen Grund 1991 nebst der alten Wassermühle nebenan. Zwar ist der Mühlenbach noch trocken, das Mahlwerk ferne, doch die umtriebigen Besitzer wollen die ganze Anlage in spe wieder herrichten. Die alten Kellergemäuer (zu Ostzeiten wurden hier Tote zwischengelagert) sind schon hergerichtet, Holzpflug und eine Schweizerlore liegen als Fundstücke uralter Zeiten zur „Dekorierung“ bereit. Zum See hin, vor sumpfigem Grund, dort, wo sich wilde Schweine, Fasan und Fuchs gute Nacht sagen, und der Marder jüngst zwei Hühner geholt, liegt schon der Mühlstein. Die putzblanke Scheune selbst mit ihrem viergeteilten Fenster-Halbrund scheint vom Fundament her neugebaut, frische Ziegelmauern innen, neues Dachgebälk mit Sicht bis zum First, zwei Reihen rustikaler Tische nebst Bänken für etwa 50 Besucher, ein Podest mit Sesseln, drei Schränke, Holzforken und anderes Interieur, linkerhand ein Internet-ersteigerter Tresen. Gemütliche Atmosphäre, Speisen und Getränke, alles sehr hübsch. Ein volles Haus zur Eröffnung kann nur ein gutes Omen sein: Als erster Gast hatte sich am Sonnabend das Kulturforum Schwielowsee mit einer Lesung junger Autoren angesagt, die zum 2. Fercher Literaturtreffen ohnehin im Ort weilen. Doch „junge Autoren“ müssen nicht zwingenderweise auch Teenies sein, das wäre Kinderglaube. Die Potsdamerin Antje Wagner, Volker H. Altwasser aus Greifswald und Jan Volker Röhnert (Jena), der sich Lyriker nennt, sind allesamt über 30, mit Veröffentlichungen bereits im literarischen Licht und behufs Stipendien (Röhnert sogar mit dem Jenenser „Lyrikdebütpreis“) geehrt. Erhobener Schreibnachwuchs sozusagen. Man las am Stehpult: Altwasser den komplizierten Text „Von der Flaute“ (aus „Das Meer-Prinzip“, 2002), darin er privatfamiliäre Befindlichkeiten mit landwirtschaftlichen Topoi in endlosen Halbsätzen so lange reihte, bis sein Ego sich aus der Krise geschrieben. Röhnerts ermüdende Beiträge, kurz oder lang, fielen durch dräuende Suche nach den richtigen Metaphern auf, er hängt der „Moderne“ wohl mehr an als dem lebendigen Wort. Keine Ahnung, was er da in gequälten Beschreibungen vortrug. Beide Deskriptoren sollten vielleicht etwas mehr ihrer Rezipienten gedenken. Antje Weber war die interessanteste unter den dreien, obwohl auch sie die Kunst des prononcierten Vortrages nicht völlig beherrschte. Vom Sessel her stellte sie eine der zwölf „Pointen-Geschichten“ aus dem Erzählband „Mottenlicht“ (2003) vor, denen stets der auflösende Schluss fehlt, Ruf an den Leser, diese „Kriminalfälle des Alltags“ in eigener Regie zu lösen. Schöne Idee, selbst wenn es diesmal um ein Pärchen ging, welches das gleiche Muttermal just an derselben Stelle trägt Im Anschluss gab es dann eine Diskussion, so produktiv oder taub, wie man das von anderen Veranstaltungen dieser Art her kennt, und dachte ungehörigerweise an Brechts Forderung, „junge Talente“ zu „entmutigen“, damit etwas bleibe. Das Herz will erreicht sein, nicht der Verstand, besser noch: Die Seele. Wer diese Kunst lernt, wird immer dankbare Zuhörer haben. Aber dazu ist ein Literaturtreffen vielleicht auch da.

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