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Potsdam-Mittelmark: Auftakt ins „dritte Zeitalter“

Vorpremiere für alte Feuerwehr mit „Blauem Einhorn“

Vorpremiere für alte Feuerwehr mit „Blauem Einhorn“ Beelitz - Kurz ist das Leben, lang ist die Kunst, heißt es bei Hippokrates. Und tatsächlich scheinen die Beelitzer Vereins-Pioniere um Bernhard Knuth einen langen Atem zu haben. Zuerst die Diesterweg-Aula, dann das Tiedemann-Haus, jetzt ist die Alte Feuerwehr am Kirchplatz auserkoren, der vergrößerten Administration gehörige Kultur zu bieten, Kleinkunst vor allem. Der „Festsaal“ erwies sich als wenig elastisch, wenn es darum ging, ein Fixum darin zu bewegen, oder nur einen Nagel in die Wand zu schlagen. Auch wurde dem Verein ein Mietzins erhoben. Das bleibt, solange es um „Großveranstaltungen“ geht. Für das Kleine aber haben sich „Optik Knuth“ und „Ein Buchladen“ nun die Feuerwehr nebst deren Holzturm erobert, einen schlichten Zweckbau mit verwildertem Garten, mehr tief als breit. Privateigentum. Letzten Freitag wurde zu einer „Vorpremiere“ Open air unterm Holderbusch geladen. Um Kontinuität wie Qualität zu demonstrieren, war „Das Blaue Einhorn“ engagiert, bereits zum fünften Male Gast in Beelitz. Windlichte auf dem frisch gemähten Wildrasen, Tische, Bänke und notwendigerweise auch große Schirme, denn Gewölk zog dunkel hin von West nach Ost. Feinkost, wo einst die Spritzenwagen standen, Grillwurst, viele Besucher, die Stimmung war erwartungsvoll und heiter. Sie wurden durch das höchst musikalische und vielerprobte Quartett um Band-Chef Paul Hoorn (Gesang, Akkordeon, Trompete, Chalumeau) mitnichten enttäuscht. „Traum mit Schlangen“ hieß ihr nach einem Titel von S. Rodriguez benanntes Konzert, eine aus Liedern und Chansons gemachte Reise in die folkloristische Urbanität vieler Völker. Einiges im Zweistunden-Programm hat Hoorn für seine Mit-Musikanten neu arrangiert, anderes blieb Original, hörenswert war alles, zumal die 1991 gegründete Truppe nicht nur ein breites Repertoire (Rembetiko, wohldosiert Klezmer, Tango Argentino, Fado) beherrscht, sondern auch auf vielen Instrumenten zu spielen versteht: Spanische und portugiesische Gitarre, Tuba, Djombe, Ud und Bouzuki. Singen können alle viere auch, doch Hoorn bedient dazu noch mit einer Hand das Akkordeon, mit der anderen die artistische Trompete, Dietrich Zöllner ist ein Meister der „Bauchgeige“, weiß aber auch auf den Gitarren Bescheid – wie Andreas Zöllner, ihm gegenüber; Michael Burkhardt letztlich spielt seit dem 5. Lebensjahr „freiwillig“ Cello, beim „Blauen Einhorn“ am blühenden Holderbusch war er am Kontrabass einer der Besten, die man je hörte. Alles klingt tatsächlich „wie aus einem Horn“, erstaunlicher noch, weil alle 21 Titel in Originalsprachen vorgetragen wurden: ungarisch, hebräisch, serbokroatisch, sephardisch, jiddisch, russisch, portugiesisch. Hoorn kann seine Bariton-Stimme allen Empfindungen anpassen, der Bitterkeit des Liebesschmerzes, Einsamkeit eines jiddischen Straßensängers, welcher einfach „kein Massel“ hat; in Sarajevo träumt ein Zigeuner im Café von der Rückkehr seines Millionär gewordenen Vaters, die Roma singen ein Lied, wie man auch mit Alkohol fröhlich sein könne, in Thessaloniki klagen Dealer, nachdem eine Schiffsladung Hasch beschlagnahmt ist: Wer wird uns den Schaden ersetzen? Und aus Lisboa klingt es düster-melancholisch „Ich bin ein Sohn der Nacht...“. Mehr Großstadtpoesie als „Dickicht der Städte“. Kurz, ein anspruchsvoller und atmosphärisch guter Auftakt ins dritte Zeitalter des kulturbeflissenen Vereins, der fortan auf zwei Türme blickt – zu Feuerwehr und St. Marien.

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