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DasWAR“S: Blende 8 auf dem Handy

Was für Peter Könnicke technischer Fortschritt bedeutet

Ich habe die Wahl. Entweder ein 7005-Double Butted Octagon-Tube oder ein 7005/HiTen-Full Suspension-Rahmen. Eigentlich beschäftige ich mich mit dem schlichten Gedanken, mir ein neues Fahrrad zu kaufen. Doch ich fürchte, ich muss zuvor einen Englisch-Intensivlehrgang bezahlen und mich an der Technischen Universität als Gasthörer einschreiben. In gut sechs Monaten verstehe ich dann möglicherweise, was Werbebroschüren mir sagen wollen und Fachverkäufer mir raten.

Ganz ehrlich, ich komm bei dem Fortschritt nicht mehr mit. Vor ein paar Wochen war ich auf einer Pressereise, auf der ich mich von drei Kollegen umgeben sah, die handytechnisch wie auch digitalkameramäßig auf dem neuesten Stand waren. Die haben zu ihrem Telefon gesagt, wen sie anrufen wollen und dann haben die Handys die Nummern gewählt. Von ganz allein. Unheimlich. Ich hab dann mein Handy auch mal rausgeholt und gemerkt, dass es in Florida nicht funktioniert. Einer der Kollegen meinte, ich soll „Raute, Raute, null, null, Raute“ drücken. Das würde alle Sperrbefehle aufheben. Ich drückte und der Kollege schickte mir zur Probe eine SMS. Die kam nie an. Warum sollte ich in Florida auch telefonieren.

Fotografieren war da schon wichtiger. Die Kollegen hielten ihre Digitalkameras in den Sonnenuntergang am Clearwater Beach und schwadronierten eifrig über Megapixel. Ich hingegen machte einen auf Höhlenmensch: Ich schraubte beflissen am Objektiv meiner alten Carena herum, legte einen 200er Film ein, drückte den Auslöser, zog den Filmtransporthebel, drückte nochmal, zog, drückte und zog, bis ich beim ersten von 36 Bildern angekommen war. Ich rief mir das Foto-Einmaleins: „Sonne lacht, Blende acht“ ins Gedächtnis, stellte die Blende auf 5,6 und betete inständig für wenigstens ein brauchbares Bild. Denn zwei rote Blinker signalisierten mir ständig: „Überbelichtet!“ Mit Kennerblick fing ich einen Pelikan ein, der mitten durchs Abendrot segelte. Ich war ein Postkartenfotograf.

Irgendwie muss ich in meinem Tun überzeugend gewirkt haben, denn einer der Kollegen meinte, er finde es imponierend, dass ich mich dem Technikwahn verweigern würde. „Genau“, sagte ich, während ich insgeheim überlegte, wenigstens ein Foto mit meinem Handy zu machen. Zur Sicherheit.

Keines der Fotos ist geworden. Vorsorglich hat mir der Veranstalter eine CD mitgegeben – mit „High-resolution JPEG images“. Wie ich herausfand, verbergen sich dahinter dutzende Sonnenuntergangsbilder. Zum Glück. Es hätten ja auch Fahrräder sein können.

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