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DasWAR“S: Brotsuppe in der TU

DasWAR“S Warum für Peter Könnicke Freitag nicht Freitag blieb Als Journalist einer Tageszeitung lebt man immer einen Tag voraus. Wenn heute etwas passiert, müssen wir gestern schreiben, weil es morgen erst gelesen wird.

DasWAR“S Warum für Peter Könnicke Freitag nicht Freitag blieb Als Journalist einer Tageszeitung lebt man immer einen Tag voraus. Wenn heute etwas passiert, müssen wir gestern schreiben, weil es morgen erst gelesen wird. Wenn heute Freitag ist, muss ich so schreiben, als wäre Samstag. Und wenn morgen etwas stattfindet, passiert es eigentlich erst übermorgen. Ein Beispiel: Ich schreibe heute, dass es morgen eine Wanderung über den Seeberg gibt. Also findet sie übermorgen statt, weil es der Zeitungsleser morgen erst liest. Klingt kompliziert, was? Vielleicht sagt man deshalb, Journalisten würden nicht richtig ticken. Unterbrochen wird das Gefühl, einen Zeitvorsprung zu haben, wenn ich einen freien Tag habe. Wie vergangenen Freitag. Ich hatte mich bereit erklärt, ein paar Klassenkameraden meines Sohnes nach Berlin zu fahren. Dort gab es an der Technischen Universität eine Feier für Schulen, die sich an einem Einstein-Wettbewerb beteiligt hatten. Der hieß „Ich zeige dir, was du nicht siehst“ und es ging um Zufall, Licht und Zeit. Im Foyer der Uni waren die Arbeiten zu sehen, welche die Kinder für den Wettbewerb gestaltet hatten. Eine Einstein-Uhr, ein einarmiger Bandit, der Smarties frisst, und eine Diskokugel. Als ich zum Stand der Schule meines Sohnes kam, erklärte ein Physikprofessor der TU-Vize-Dekanin gerade, dass es hier etwas ganz Besonderes zu sehen gebe. Die Kinder hätten alte Dinge fotografiert und beschrieben, was es damit auf sich hat. „Eine fast philosophische Auseinandersetzung mit der Zeit“, lobte der Professor. Plötzlich erinnerte ich mich, wie unser Sohn vor etwa einem halben Jahr erzählte, er müsse für den Kunstunterricht etwas Altes mit in die Schule nehmen. Ich hatte danach noch einmal kurz gefragt, was daraus geworden ist und er meinte, sie hätten die Sachen „irgendwie so hingelegt und fotografiert“. Aufgeregt begann ich nun in dem Buch zu blättern, sah die Scherbe einer alten Ofenkachel, eine alte Gabel, einen kaputten Autospiegel. Und schließlich das Foto meines alten Wehrdienstausweises. Bei der Suche nach etwas Altem hatte ich meinen Wehrdienstpass gefunden und meinem achtjährigen Sohn erzählt, dass ich anderthalb Jahre bei der Nationalen Volksarmee war. Im Foyer der Technischen Universität las sich das dann so: „Mein Papa lebte in der DDR. Dort war er ein Soldat. Er hat gelernt, wie man ein Gewehr auseinander baut und hat auf Puppen geschossen. Er musste Brotsuppe essen.“ Was für ein Zeitsprung! Dabei wollte ich an meinem freien Tag doch nur, dass an diesem Freitag auch wirklich Freitag ist.

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