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Potsdam-Mittelmark: Der Politik-Versteher

Mit 13 fragte sich Philipp Schwab, wie Politik funktioniert. Mit 20 sitzt er im Bundestag

Nuthetal - Philipp Schwabs politische Karriere begann im Alter von fünf Jahren mit einem Kissen unterm Hemd. Faschingszeit im Kindergarten in Bergholz-Rehbrücke, da erwartet man eigentlich Cowboy, Indianer und Prinzessin. Doch Philipp Schwab wollte unbedingt als Helmut Kohl gehen. Kissen unters Hemd, Brille und ernster Blick, mehr braucht es nicht, um als Vierjähriger zum mächtigsten Regierungsmann in Deutschland aufzusteigen. An Regierungshandlungen kann sich Philipp Schwab, heute 20 Jahre alt, nicht mehr erinnern. Auch nicht, warum er sich ausgerechnet als Kanzler Kohl verkleidet hat. Seine Eltern treffe keine Schuld, sagt er. Die seien verhältnismäßig unpolitisch.

Philipp Schwab erwähnt die Faschingsgeschichte am Rande des Gesprächs, eingeleitet mit einem „Ach so“. Dann lacht er sein kurzes verhaltenes Lachen, das er oft lacht, wenn er spricht. Auch wenn es nichts zu Lachen gibt.

Gut, über die Geschichte mit dem Kissen unterm Hemd kann man lachen. Sie hat Unterhaltungswert. Und man könnte sie ganz schnell wieder vergessen. Denn kleine Kinder machen ständig sehr komische und sehr lustige Sachen. Bei Philipp Schwab fragt man sich aber doch, ob nicht mehr dahinter steckt. Und gleichzeitig ermahnt man sich, das alles nicht überzubewerten, denn schließlich war er da gerade erst vier.

Seit Februar ist Philipp Schwab „berufener Bürger“ im Finanzausschuss der Gemeinde Nuthetal. Wenn die Gemeindevertreter über die Finanzen tagen, kann sich Philipp Schwab einbringen und Vorschläge machen. Reden darf er, ein Stimmrecht hat er jedoch nicht.

Herr Schwab, warum beschäftigt sich ein 20-Jähriger freiwillig mit den Finanzen seiner Heimatgemeinde?

Als Philipp Schwab sich bei den Gemeindevertretern vorstellte, antwortete er auf diese Frage: „Ich möchte wissen, woher das Geld kommt“. Da tönte es aus den Reihen vor ihm: „Das würden wir auch gern“ und Gelächter folgte. Für einen kurzen Moment bekam Philipp Schwab einen roten Kopf. Er lachte sein kurzes, verhaltenes Lachen, dann sprach er weiter, ganz souverän. So leicht lässt er sich schließlich nicht aus dem Konzept bringen.

Philipp Schwabs Konzept könnte man wie folgt auf den Punkt bringen: Informieren, verstehen, abwägen und handeln. Als 13-Jähriger begann er Zeitung zu lesen und Nachrichten bewusst zu schauen. Ihn interessierte wie es funktioniert – das mysteriöse Regelwerk Politik. Irgendwann kamen Bücher hinzu: Außenpolitik, dieses globale und so feingliedrige Netzwerke aus Wirtschaft und Politik. Philipp Schwab wurde nicht von der Politik verfolgt als etwas Lästiges im Unterricht. Er verfolgte die Politik, weil er sie durchschauen wollte.

Im brandenburgischen Landtagswahlkampf 1999 besuchte Philipp Schwab eine Veranstaltung der CDU. Jörg Schönbohm sprach. Später saß er mit dem Minister gemeinsam an einem Tisch. „Die Atmosphäre hat mir gefallen“, sagt er. Anschließend drückte man ihm Prospekte und das Parteiprogramm in die Hand. Wenn es ihn überzeuge, dann solle er einfach wiederkommen. Philipp Schwab kam wieder, aber er hat es sich nicht einfach gemacht.

Zuerst einmal fuhr Philipp Schwab nach Potsdam zur FDP-Zentrale, dann ging es zur SPD. Er informierte sich bei den Parteien, die für ihn in Frage kamen. Er hat die Parteiprogramme verglichen, abgewogen und sich schließlich für die CDU entschieden. Das christlich geprägte Menschenbild habe ihn, der aus einer evangelischen Familie komme, letztendlich am stärksten überzeugt.

Doch damals war er noch zu jung für die Partei. So trat er in die Junge Union ein. Vor zwei Jahren wurde Philipp Schwab dann aktiv: Er gründete den Junge-Union-Ortsverein in Rehbrücke. „Mittlerweile sind wir 15 Mitglieder.“ Im Januar ist er dann Mitglied in der CDU geworden.

Seit Ende Februar sitzt Philipp Schwab im Bundestag. Gelegentlich. Wenn es seine Arbeit als Praktikant bei Katherina Reiche erlaubt. Bis Ende Mai wird er die mittelmärkische CDU-Politikerin unterstützen und einen Einblick vor Ort bekommen. Seine ersten Erfahrungen hat er schon gesammelt. „Dass etwas schnell geht, das geht dort nicht“, sagt Philipp Schwab trocken. Er klingt nicht desillusioniert, eher wie ein Routinier. Schließlich hat er sich ausgiebig informiert und ganz so mysteriös wie früher präsentiert sich ihm das Regelwerk Politik jetzt auch nicht mehr.

Philipp Schwab nennt die aktuelle Debatte um die Förderalismusreform als ein Beispiel von vielen. Vom Grundgedanken her findet er sie in Ordnung, aber dieses ständige Hin und Her, dass jede Diskussion um einen Punkt neue Unterpunkt auslöse, da frage er sich schon, ob das wirklich notwendig sei. „Trippelschritte“ nennt er diese Gangart. Aber Demokratie, das sei nun mal ständige Konsenssuche, entgegnet man ihm. Philipp Schwab würde nie das Gegenteil behaupten. Aber ob es so umständlich sein muss, die Frage darf doch wohl erlaubt sein. Und dann sind da noch weitere Fragen.

Im Bundestag arbeiten 2500 Menschen, hat er festgestellt. „Sind die alle notwendig?“ Spätestens jetzt merkt man, dass Philipp Schwab ein sehr rationaler Mensch ist. Anfangs hat er sich für Politik interessiert, weil er verstehen wollte, wo was entschieden wird. Jetzt will er auch handeln. „Alte Strukturen aufbrechen“, zitiert er die beliebte Floskel, mit der man signalisiert, dass man etwas verändern möchte, ohne jedoch gleich jemanden zu nahe zu treten. Philipp Schwab weiß, dass aktive Politik bedeutet mitzuschwimmen. Wer hier etwas verändern will, der muss sich anpassen. Politik wird schließlich nicht von Einzelkämpfern gemacht.

Weil Philipp Schwab ein rationaler Mensch ist, schaut er ganz genau, welcher Weg der seine sein könnte. Im Herbst beginnt er ein Jurastudium in Potsdam. Er hat sich genau informiert. Die Dozenten und die Ausbildung gelten als sehr gut. Und auch über die Richtung hat er sich schon Gedanken gemacht. „Es gibt in Deutschland 11 500 arbeitslose Juristen.“ Deshalb ist Spezialisierung wichtig, sagt er . Darum will er seinen Schwerpunkt auf Wirtschaftsrecht legen. Es wird nicht leicht werden. Aber die Chancen mit einem Abschluss in Wirtschaftsrecht bei einem international renommierten Unternehmen unterzukommen, stünden nicht schlecht. Und was ist mit der Politik?

Philipp Schwab lehnt sich zurück. „Mir jetzt schon Gedanken über ein Karriere in der Bundespolitik zu machen, das wäre vermessen.“ Dann lacht er sein kurzes, verhaltenes Lachen. Es ist kein unsicheres Lachen, eher eine Marotte. Manchmal klingt es so, als wollte er nur die kurze Pause bis zum nächsten Satz überbrücken.

Noch einmal nachgehakt, denn nach allem, was man bisher über Philipp Schwab erfahren hat, will man nicht glauben, dass er sich keine Gedanken über eine politische Laufbahn macht. „Wenn, dann die Außenpolitik.“ Zu mehr lässt er sich nicht hinreißen. Er spricht von Staaten in Asien, die wirtschaftlich immer stärker werden. Er kommt auf Europa und dass Deutschland nur eine Chance hätte in der Europäischen Union. Wenn Philipp Schwab von Europa spricht, dann spricht er von „wir“. Es klingt verblüffend professionell. Und man fragt sich, ob das alles nur aufgesetzt ist. Dann fallen einem die Bücher über Außenpolitik ein, die Philipp Schwab seit Jahren liest. Und schnell wird klar, dass jemand, der sich so intensiv mit Politik beschäftigt, irgendwann auch so redet, wie die meisten Politiker. Man fragt sich, was einen daran so wundert. Vielleicht ist es die Tatsache, dass Philipp Schwab mit 20 schon so sicher wirkt. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Politik im öffentlichen Bewusstsein fast immer nur ein Geschäft älterer Semester ist. Sucht man sich da seine Vorbilder? Philipp Schwab nennt Laurenz Meyer, Friedrich Merz und Angela Merkel. Alles aktive CDU-Politiker.

Von Helmut Kohl spricht er nicht. Die Episode mit dem Kissen unterm Hemd muss reichen.

Dirk Becker

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