zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Deutschkunde á la „Good by Lenin“

Deutsch-französischer Austausch am Potsdam-Kolleg vermittelt Erfahrungen über Leben und Lernen

Deutsch-französischer Austausch am Potsdam-Kolleg vermittelt Erfahrungen über Leben und Lernen Teltow – Gäbe es nicht das Austauschprogramm, wäre Larissa vermutlich nie nach Deutschland gekommen. Denn wie die meisten Franzosen hatte auch die 21-jährige Fachschulstudentin für Touristik die üblichen Vorurteile, nach denen Deutsche als unterkühlt und wenig gastfreundlich gelten. Seit einer Woche ist sie nun mit 20 Kommilitonen Gast am Teltower Potsdam-Kolleg und hat genau das Gegenteil erlebt: „Da kommt so viel herzliche Wärme von den Leuten, das ist jetzt meine konkrete Erfahrung". Untergebracht waren alle bei Studierenden des Kollegs, einer Art Tagesgymnasium für Erwachsene. Tom, der bereits im letzten Jahr einen französischen Gast aufgenommen hatte, nahm diesmal gleich zwei Gäste auf. Camille und Sophie konnte er sogar als Koch überzeugen. „Tom ist nicht nur ein Gourmet, sondern auch ein guter Koch, der sogar Sushi zubereiten kann“, zollten ihm die beiden Französinnen Anerkennung. Auch mit der Kommunikation klappte es bei Gastgebern und Gästen gut. Wem ein deutscher oder französischer Begriff nicht gleich einfiel, nahm die Brücke über die englische Sprache. Dreisprachig verlief die Unterhaltung auch zwischen der Deutschen Jacqueline und ihren französischen Gästen Carole und Emilie. Während Emilie Englisch mit ihrer Gastgeberin sprach, unterhielten sich Carole und Jacqueline auf Deutsch, zwischendurch kommunizierten Carole und Emilie auf Französisch. Dass Carole so gut Deutsch spricht, liegt an ihrer achtjährigen Sprachausbildung. Denn sie gehört zu den wenigen französischen Schülern, die sich dafür entschieden, Deutsch als zweite Fremdsprache bereits in der Schule zu lernen. Das sind zurzeit nur 16 Prozent der französischen Schüler, und nicht selten müssen sie mit dem Image leben, als „ernste und langweilige“ Mitschüler zu gelten. Carole meint, ihr mache das nicht viel aus, weil Ernsthaftigkeit ja auch positiv sei und besonders positiv war für sie, dass sie schon mehrere Male als Austauschschülerin in Deutschland war. Beim Stichwort Deutschland würden zwar viele Franzosen noch immer an Bratwürste, Bier und Lederhosen denken, aber in den letzten Jahren haben auch neue deutsche Filme zu einem anderen Bild beigetragen, berichten die jungen Franzosen. Vor allem der Film „Good bye Lenin“ zeigte ihnen ein angenehmeres Deutschlandbild, das die Nachbarn viel sanfter und menschlicher darstellte. Aber auch die privaten Kontakte würden dazu beitragen, das Nachbarland aus einem anderen Blickwinkel zu sehen, erklärte Martine Demouy. Als Fachbereichsleiterin des Institut Universitaire de Technologie (I.U.T.) in Périgueux, im Südwesten Frankreichs, begleitet sie seit sieben Jahren die Treffen der beiden Einrichtungen. Gefördert wird das Projekt vom Deutsch-Französischen Jugendhilfswerk. Auf dem Programm standen nicht nur gemeinsame Besuche in Potsdam und Berlin, sondern auch gemeinsamer Unterricht. Bemerkenswerte Unterschiede gibt es vor allem in der Wissensvermittlung. Während im deutschen Unterricht viel diskutiert wird, ist in Frankreich die Meinung der Schüler weniger gefragt. Die reine Aufnahme von Lernstoff nimmt den größten Platz im Unterricht ein. Das hat in Frankreich Tradition und die Schüler schreiben mit, oft fast wörtlich. Es gibt auch mehr Tests und Prüfungen. Gründe für das etwas bessere Ergebnis bei Pisa sieht Martine Demouy aber eher bei der Vorschule, die in Frankreich zum Bildungssektor zählt. Im Alter von drei Jahren besuchen Kinder diese Einrichtungen und lernen dort bereits kleine Gedichte, singen und treiben Sport. Wenn sie in die Schule kommen, können sie bereits einige Wörter in Druckbuchstaben schreiben und manche Kinder sogar lesen. Auch die Ganztagsschule ist Tradition im Nachbarland. Gleiche Schwierigkeiten wie deutsche Schüler haben viele junge Franzosen mit Naturwissenschaften, erzählt die französische Lehrerin, weshalb Biologie jetzt auch Prüfungsfach wurde. Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false