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Potsdam-Mittelmark: Die Baulobby im Rücken

MiLan konnte den Bau der Ortsumgehung Michendorf nicht verhindern – für die Chefin der Initiative war es ein ungleicher Kampf

MiLan konnte den Bau der Ortsumgehung Michendorf nicht verhindern – für die Chefin der Initiative war es ein ungleicher Kampf Michendorf - Der Michendorfer Olaf Kurig arbeitet im Straßenbauamt Potsdam. Als Chefkoordinator ist er für die Ortsumgehung Michendorf eingesetzt. Gestern zum Beispiel war er mit seinen Leuten vor Ort in Langerwisch, um zu schauen, wie es weiter geht, nachdem das Landgericht Neuruppin am Freitag zwei Enteignungsverfahren gestoppt hat. Kurig wird es auch in seiner Eigenschaft als Mitglied der Bürgerinitiative „Pro Bundesumgehung Michendorf Bummi“ gewurmt haben, dass sich der Bau nun verkompliziert. Den Fall Kurig findet Ingrid Aland bezeichnend. „Die Verquickung von Verwaltungsaufgaben und bestimmten Bürgerinteressen verschaffte den Befürwortern der Ortsumgehung einen ungeheuren Vorteil“, meint die Chefin der Bürgerinitiative MiLan, die jahrelang vergeblich gegen das Projekt gekämpft hat. Aland will noch weitere Verflechtungen zwischen Bauverwaltung, Baulobby und Straßenbefürwortern ausgemacht haben. Aus ihrer Sicht sei die Straße gegen alle Widerstände so erst möglich geworden. Wenn der Leiter des Landesamtes für Verkehr, Bernd Frischgesell, zugleich stellvertretender Landeschefs der Vereinigung der Straßenbau- und Verkehrsingenieure in Berlin-Brandenburg e.V. ist, hätten Kritiker aus Alands Sicht nur eingeschränkte Chancen. Frischgesells Planfeststellungsbehörde hat nach gründlicher Abwägung von Pro und Kontra über Großbauvorhaben wie den Flughafen Schönefeld oder eben auch die Ortsumgehung Michendorf zu entscheiden. „Kann er wirklich neutral sein, wenn er einen Verein im Nacken hat, dessen Mitglieder massiv von solchen Großbauvorhaben profitieren?“, fragt Aland. Für sie war es keine Überraschung, als Gegner der Potsdamer Netzverknüpfung kürzlich bekannt machten, dass auch die für Grundsatzfragen der Straßenplanung zuständige Referentin im Brandenburger Bauministerium, Iris Kralack, in der VSVI ist – als stellvertretende Vorsitzende der Ortsgruppe Potsdam. Damals hatte sich das Bauministerium gerechtfertigt, Kralack nehme an Abstimmungen nicht teil, wenn sich Interessen überschneiden. Aber wie kann das der Leiter der Planfestellungsbehörde, fragt sich Aland? Eine weiterer Lobbyverband, der ihr verdächtig erscheint: die „Gesellschaft zur Förderung umweltgerechter Straßen- und Verkehrsplanung GSV“. Als Kind der Bau- und Autoindustrie unterstützt die GSV Initiativen, die für Ortsumgehungen eintreten – von Bereitstellung der Portokosten bis zum Entwurf von Pressemitteilungen. Zwischen dem Verkehrsingenieurverband VSVI und der GSV bestehen enge Beziehungen, die VSVI will die GSV gar zum Fördermitglied machen, heißt es im VSVI-Internetauftritt. Unter den GSV-Sponsoren: der Bundesverband der Deutschen Zementindustrie, der Verband der Automobilindustrie und Industrie- und Handelskammern. Als Mitglieder sind aber auch Kommunen und Landkreise wie die Prignitz willkommen. Auffällig findet Aland, dass selbst die Brandenburgischen Straßenbauämter den Kontakt zu einem solchen Lobbyverein nicht scheuen. „Das ist sicher kein Fall für die Staatsanwaltschaft. Aber auffällig ist es schon, wenn die GSV-Landeschefin Maria-Ilona Kiefel Auftragsempfängerin des Landes Brandenburg ist“, meint sie. Als Geschäftsführerin der „Kiefel und Partner GmbH“ moderierte sie im Auftrag der Straßenbauämter Infrastrukturmaßnahmen wie die B96-Ortsumgehung Oranienburg, die B5-Umgehung Nauen und die neue B97 in Cottbus. Kiefel ist zudem Autorin zweier Artikel in der GSV-Verbandszeitschrift „Verkehr und Umwelt“, in denen es um die Erfolge der Michendorfer Bummi-Initiative geht. Für Aland bemerkenswert: Bummi trat Ende des Jahres 2000 genau zu dem Zeitpunkt auf den Plan, als die Stimmung zugunsten der Umgehungstraßengegner zu kippen drohte. War die GSV im Spiel? Bummi-Chef Wolfgang Weber bestreitet Alands Vermutung, dass seine Initiative – wie etwa 150 andere in Deutschland – durch die GSV unterstützt wurde. „Wir hatten Kontakt und wurden gefragt, ob wir GSV-Mitglied werden wollen.“ Um sich die Unabhängigkeit zu bewahren, habe man Hilfsangebote abgelehnt. „Wir konnten unsere Transparente selbst malen.“ Ein den PNN vorliegendes Bummi-Protokoll belegt indes, dass die GSV seit Ende 2000 Bummi „mit Rat und Tat“ zur Seite stand. Auch durch das Bauministerium, sagt Aland, sei Bummi unterstützt worden: mit hunderten bunter Flyer, in denen mit Amtssiegel für die Straße geworben wird. Alles nur eine abenteuerliche Verschwörungstheorie? Für Aland jedenfalls hat sich der Verdacht erhärtet, dass die Landesverwaltung nur noch ein Ziel hat, wenn sie ein Projekt in verschiedenen Verfahrensschritten abzuwägen hat: Es umzusetzen, wie es Ingenieure und Planer aufs Papier gebracht haben. „So wird es auch sein, wenn das Raumordnungsverfahren zur Potsdamer Netzverknüpfung begonnen wird“, sagt sie voraus. Und bald werde sich auch eine Initiative gründen, die für die Netzverknüpfung kämpft.

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