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KulTOUR: Die Drachentöter

Das Wolfgang-Zechlin-Trio in Kleinmachnow

Kleinmachnow - Zum Schluss dann doch. Mit „Welcome“ ein Standard aus dem Great American Songbook, mit dem sich das Wolfgang-Zechlin-Trio am Donnerstagabend im Kleinmachnower Rathaus verabschiedete. Eine kleine Versöhnungsgeste an das überschaubare Publikum vielleicht, das knapp anderthalb Stunden lang scheinbar endlose Improvisationsgirlanden um die Ohren gewickelt bekam. Vielleicht aber auch nur der Hinweis: Wir können auch das! Kleine, feine Jazzmelodien, in Blues getaucht, eingängig, harmonisch, mit nur kurzen Ausflügen ins freie Spiel.

Gerade einmal 20 Jahre ist Wolfgang Zechlin alt. Und wie er da auf die Bühne tritt und sich schnell an das Klavier setzt, wirkt er eher wie einer dieser blassen und unscheinbaren Mathematikstudenten. Doch als Filius international bekannter Konzertpianisten scheint ihm das Tastenspiel in die Wiege gelegt. Im Alter von fünf Jahren begann er damit, entdeckte mit 15 den Jazz und brach mit 17 die Schule ab, um an der „Hanns-Eisler“-Musikhochschule Berlin zu studieren. Preise hat Wolfgang Zechlin zahlreiche gewonnen, darunter den Möbius-Jazz-Award.

Zechlin und seine beiden Musiker Jonas Westergaard am Bass und Christian Lillinger am Schlagzeug kann man getrost als junge Wilde im Jazz bezeichnen. Das hat weniger mit ihrer Attitüde, sondern mit ihrem Spiel zu tun. Fast nur Eigenkompositionen haben die drei an diesem Abend gespielt. Titel? Die gibt es dafür nicht, denn die würden schon viel zu sehr begrenzen. Es sind Fragmente und Skizzen, die sich Zechlin, Jonas und Lillinger gegenseitig zum Traktieren vorwerfen.

Das beginnt oft harmlos, drei, vier Töne, ständig wiederholt, die sich dann zu wahren musikalischen Monstern auswachsen. Die Musiker schenken sich dabei nichts, genauso wenig dem Publikum. Ein ständiger Wechsel zwischen Miteinander und Gegeneinander, mal Melodiesuche, mal Melodiejagd bis hin zur sich überschlagenden Improvisationshatz. Irgendwann scheint sich die Musik gegen ihrer Schöpfer zu erheben, kaum zu bändigen, gleich einem Drachen, dem für einen abgeschlagenen Kopf zwei neue wachsen. Zechlin, Jonas und Dillinger gehen hierbei an Grenzen, lassen sich ein auf dieses waghalsige Spiel, das oft genug vor dem totalen Chaos steht. Doch immer dann, wenn diese Bestie Lied sich auf das Publikum stürzen will, pariert das Wolfgang-Zechlin-Trio mit überraschender Finte und hat, mit der Souveränität des Drachentöters, die Situation sofort wieder im Griff.

Ein aufreibendes, aufzehrendes Konzert, verwirrend und beglückend zugleich. Ruhepausen gibt es kaum, denn die Aufregung in der Musik greift ständig auf den Hörer über. Doch bleibt es immer Genuss, denn den Jazzeskapaden dieser drei jungen Wilden kann man sich gefahrlos anvertrauen. Dirk Becker

Dirk Becker

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