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Potsdam-Mittelmark: Für und Wider der Ausbildungsabgabe

Bei „Vor Ort“ klare Ansage der regionalen Handwerkerschaft

Bei „Vor Ort“ klare Ansage der regionalen Handwerkerschaft Von Michael Kaczmarek Götz. „Ich hatte vorher einen leichten Auffahrunfall, das war aber nicht meine Schuld“, sagt Andrea Voßhoff, CDU-Bundestagsabgeordnete kurz vor der live-Sendung des RBB „Vor Ort“. Dann verwandelte sich das Zentrum für Gewerbeförderung der Handwerkskammer Potsdam in Götz für 45 Minuten zur pulsierenden Fernsehbühne. Auch hier entkamen die Kontrahenten beim Thema „Wer nicht ausbildet, muss zahlen“ nicht ganz dem Zusammenstoß: Andrea Voßhoff und Klaus Windeck, Präsident der Handwerkskammer Potsdam standen als Gegner einer sogenannten Ausbildungsplatzabgabe auf der einen Seite, Günter Baaske (SPD), Brandenburgs Arbeits- und Sozialminister und Niels Annen, Bundesvorsitzender der Jungsozialisten als Befürworter dieser Abgabe auf der anderen. Bundesweit fehlen in diesem Jahr noch etwa 35000 Lehrstellen. Ob dieses jährlich wiederkehrende Problem „Wann sind wir endlich dran?“ mit einer Ausbildungsplatzabgabe langfristig gelöst werden kann, ist stark umstritten. „Wer nicht ausbildet, muss zahlen“, lautet Annens Kredo. „Es geht uns vor allem um die betriebliche Ausbildung. Die ist am wichtigsten, da sie die meisten Erfolge bringt. Die Betriebe, die sich davor drücken, Jugendliche auszubilden, sollten sich durch eine Ausbildungsplatzabgabe am finanziellen Aufwand einer Ausbildung beteiligen“, erläutert der Juso-Chef seinen Standpunkt. Baaske formuliert seine Forderungen etwas seichter, doch auch der SPD-Politiker beharrt darauf, dass die Wirtschaft, und nicht die Steuerzahler, für die fehlenden Ausbildungsplätze die Verantwortung übernehmen müssten. „Bisher fließen Zuschüsse von Bund und EU in Millionenhöhe, um die jährlichen Lehrstellen-Lücken zu schließen. Das wird so nicht weitergehen können. In einigen Regionen und Branchen haben sich die Tarifpartner selber geeinigt, da muss die Politik nicht eingreifen“, nennt Baaske einen möglichen Ausweg. Brandenburg sei ein Vorzeigeland, was das Ausbildungs-Engagement der Betriebe betrifft. Noch im August waren in Brandenburg etwa 1500 junge Menschen auf der Suche nach einer Lehrstelle. Nach einem „gemeinsamen Kraftakt“ von Wirtschaft und Politik gäbe es nun so viele zusätzliche Stellen, dass „zumindest eine rechnerische Null“ herauskommt. Soll heißen: Theoretisch könnte damit jedem Jugendlichen ein Ausbildungsplatz angeboten werden. Praktisch heißt das aber erstens: Der bevorzugte Ausbildungsplatz muss noch lange nicht mit dem vorhandenen Angebot übereinstimmen. Zweitens stimmen die schulischen Voraussetzungen der Jugendlichen häufig nicht mit den Anforderungen der Ausbilder überein. Vor allem auf dieses Problem verwies auch Handwerkskammerpräsident Klaus Windeck, der selbst Metallbau-Unternehmer mit etwa 100 Beschäftigten und 20 Lehrlingen ist. „Es ist eine Zumutung, wenn ein Handwerksmeister 30 Bewerbungen lesen muss, bevor er einen fähigen Anwärter findet.“ Dieses Problem ziehe sich durch die gesamte Ausbildung. So hätten allein im Handwerkskammerbereich Potsdam 890 Auszubildenen ihre Prüfung nicht bestanden, und diese würden dieses Jahr noch potentielle Ausbildungsplätze blockieren. Die Jugendlichen im Publikum wehrten sich gegen dieses „pauschale Vorurteil“ und schrien als Gegenanklage ins Mikrofon: „In der Schule fehlen Lehrer und Hilfsmittel! Und jetzt sind wir auch noch Schuld an der Misere? Immer wird bei den Jugendlichen gespart!“ Eine junge Frau fragte verzweifelt „Wann sind wir endlich dran?“ und forderte eine schnelle Umsetzung der Ausbildungsplatzabgabe. Vehement wehrte sich Windeck gegen eine solche Forderung. Diese „Sonder- und Zwangssteuer“ sei kontraproduktiv und würde nur Arbeits- und damit auch Ausbildungsplätze vernichten anstatt neue zu schaffen. Unterstützt wurde der Vertreter der regionalen Handwerkerschaft an diesem Abend auch von der CDU-Abgeordneten Voßhoff. Mit der Abgabe könnten sich die großen Unternehmen leicht von ihrer Ausbildungspflicht freikaufen, die Kleinen würden unterdessen durch eine zusätzliche finanzielle Belastung in ihrer Existenz bedroht. So konzentrierte sich auch der Schluss der Sendung auf ein prinzipielles „Ja oder Nein“, ohne über die vorgestellten Modelle einer Ausbildungsplatzabgabe tatsächlich zu diskutieren. Nachdem sich die Fernsehbühne dann ab 21 Uhr wieder in das Zentrum für Gewerbeförderung in Götz zurück verwandelte, kühlte sich die aufgeheizte Stimmung auch im Publikum schnell wieder ab. Nur am Rande der Bühne bemerkte ein Zuschauer nachdenklich: „Das Problem ist doch, dass die Innen- und Justizminister später die Jugendlichen bekommen, die keinen Ausbildungsplatz erhalten.“ Eine Handvoll Jugendlicher folgte der CDU-Bundestagsabgeordneten Voßhoff noch mit auf den Parkplatz zu ihrem aufprallgeschädigten Auto und stellten ihre Azubi-Kenntnisse als Kfz-Schlosser unter Beweis: „Alles in Ordnung“ hieß es nach einem kurzen Check des Autos versöhnlich.

Michael Kaczmarek

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