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Potsdam-Mittelmark: Gewagtes Rollenspiel

Vor 100 Jahren wurde entschieden, dass Stubenrauch Teltower Ehrenbürger wird – Grund für einen Festakt

Teltow - Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt stellt sich vor, wie es vor 100 Jahren als Bürgermeister gewesen sein muss. Landrat Lothar Koch visioniert, ob man ihn auch mal so schätzen und ehren wird, wie seinen Amtskollegen vor einem Jahrhundert. Und Teltows Stadtparlamentschef Rolf-Dieter Bornschein wünscht sich auch mal eine „Sternstunde“ wie sie sein Pendant 1906 hatte, als er den Beschluss für eine Ehrenbürgerschaft zur Abstimmung aufrief.

Es muss wohl ein besonderer Anlass sein, wenn sich gleich drei aktuelle Stadt- und Kreispolitiker um ein ganzes Jahrhundert zurückversetzt wissen wollen. Nun ja: Vor exakt 100 Jahren, am 3. Mai 1906, beschloss das Teltower Stadtparlament in einer „Personalangelegenheit“, dem damaligen Landrat Ernst von Stubenrauch für seine Verdienste beim Bau des Teltowkanals die Ehrenbürgerschaft zu verleihen. Im Fundus des Kreisarchivs haben Teltows umtriebige Heimatforscher jetzt die Originaldokumente aufgestöbert, die diesen Vorgang dokumentieren. Und Heimatforscher Walter Heidbrink war der Meinung, dass man den Akt der einstigen Stadtväter „irgendwie würdigen“ müsste – jetzt, im 100. Jahr des Teltowkanals. Also ergriff Bornschein als oberster Repräsentant der städtischen Politik die Initiative und schlug eine Festveranstaltung der Stadtverordnetenversammlung vor.

Da saßen sie nun am Mittwochabend um 18 Uhr – anderthalb Stunden eher als vor 100 Jahren die damaligen zwölf Stadtverordneten: Teltows heutige Politikergilde, Landrat Koch, die Bürgermeister aus der Nachbarschaft, Bundes- und Landtagsabgeordnete. Immerhin fragte Bornschein selbst, ob es nicht „eitle Selbstgefälligkeit“ sei, wenn Teltow ein paar Tage vor dem großen Kanaljubiläum am 2. Juni eine eigene Veranstaltung durchführt. Doch den Tag der Beschlussfassung zur Verleihung der Ehrenbürgerschaft könne man nur authentisch würdigen, wenn man es exakt 100 Jahre danach tut. Ob es tatsächlich eine Verpflichtung ist, daraus eine Tradition werden zu lassen, wie Bornschein befand, wird sich womöglich schon im 101. Jahr nach dem bedeutsamen Datum als fragwürdige Idee erweisen.

Denn Rathauschef Schmidt fühlte sich bei seinem Rollenspiel als einstiger Bürgermeister Liebig durchaus unsicher. Zu wenig weiß er vom früheren Stadtoberhaupt, um sich mit ihm zu identifizieren. „War er konservativ? War er Sympathieträger?“ Vermeintlich leichter hatte es da Landrat Koch, schließlich wird seinem Amtskollegen Stubenrauch nachgesagt, „willensstark, fleißig, unbürokratisch und ideenreich“ gewesen zu sein. Koch war es daher „eine Freude, eine Verbindung zwischen dem damaligen und heutigen Landrat herzustellen“. Schließlich gilt Stubenrauch nicht nur als Vater des Teltowkanals, sondern auch als Vorbild im Ringen um kommunale Selbstverwaltung – ein Lieblingsthema des amtierenden Landrats Koch. Stubenrauchs Verständnis kommunaler Eigenregie führte immerhin dazu, dass der Bau des Teltowkanals, eigentlich eine höchststaatliche Aufgabe, ausschließlich mit Kreismitteln bezahlt wurde. Wahrlich revolutionär, auch wenn Stubenrauch nach 23-jähriger Amtsführung dem Kreis Teltow einen Schuldenberg von 65 Millionen Mark hinterließ. Ein Erbe, das Koch eher nicht für erstrebenswert halten dürfte. „Doch wer bei kommunaler Selbstverwaltung heute erfolgreich sein will, muss neue Wege finden“, so Koch – Stubenrauch gelte bei dieser Frage als Symbolfigur. Immerhin, so konstatierte Landrat Koch freudig, sei man in Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf „auf dem besten Weg“, Verwaltungsstrukturen effizienter zu gestalten. Da seine Amtszeit begrenzt sei, solle man sich in der Region beeilen, „um Stubenrauchs Vermächtnis mit mehr Tempo umzusetzen“. Doch es erscheint eher unwahrscheinlich, dass Koch dabei die gleiche Anerkennung widerfährt wie einst Stubenrauch. „Väterliche Autorität“, wie man sie Stubenrauch nachsagt, ist Koch bislang noch nicht öffentlich bescheinigt worden. Und Stadtparlamentschef Bornschein fürchtet, dass ihm nie die Sternstunde vergönnt sein wird, einen Landrat zum Teltower Ehrenbürger zu küren.

Immerhin verlieh Bornscheins Prognose dem Rollenspiel eine amüsante Note. Doch hätte es nicht das virtuose Gitarrenspiel des 15-jährigen Christoph Verbakel zwischen den Reden gegeben, wäre der Festakt eine allzu angestrengte Veranstaltung gewesen.

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