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Vorsitzende der Enquete-Kommission: Susanne Melior (SPD).

© Manfred Thomas

Potsdam-Mittelmark: Grollen im Apfelbaum

Michendorfer Forum: Fluglärmgegner nehmen Landespolitik in die Pflicht. Nachtflugverbot bleibt strittig

Potsdam-Mittelmark – Es war keine dankbare Rolle, die Burkhard Rhein am Donnerstagabend übernommen hatte. Begleitet von Buh-Rufen aus dem weit über 200-köpfigen Publikum im Michendorfer Gemeindezentrum „Zum Apfelbaum“ erläuterte er die Haltung der Wirtschaft zum neuen Großflughafen Schönefeld. „Nachtflüge sind aus unserer Sicht unverzichtbar“, so der Leiter für Verkehrsfragen bei der „Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg“ (UVB). Nur wenn der Flughafen wirtschaftlich arbeitet, profitiere auch die Region, so Rhein. Ein Argument, von dem man nicht viel übrig ließ: „Was ist denn mit unserer touristischen Wirtschaft?“, konterten die Zuhörer. Die werde unter dem Fluglärm baden gehen.

Die Bürgerinitiative „Fluglärmfreie Havelseen“ hatte fast alle Landtagsabgeordneten aus der Region und weitere Verantwortliche für die Entwicklung des Flughafens Schönefeld eingeladen. Der neue Airport, jetzt mit dem Kürzel BER, soll in einem Jahr öffnen. Bis dahin muss der Verlauf der Flugrouten geklärt und die Frage, ob es Ruhezeiten geben wird, entschieden sein. „Schönefeld steht in Konkurrenz zu Frankfurt am Main und München. Wenn die Fluggesellschaften woanders bessere Bedingungen haben, gehen sie auch dorthin“, erklärte Rhein. Er musste feststellen, dass genau das den Zuhörern das Liebste wäre. Für das Argument zumindest gab es dieses Mal Beifall.

Die Fluglärmkomission mit den Vertretern betroffener Kommunen hatte jüngst ihren Bericht mit den Emfpehlungen zum künftigen BER-Betrieb vorgelegt. Wie berichtet, sehen die Vorschläge für Abflüge in westliche Richtung die Strecke über den Berliner Ring bis zum Dreieck Werder vor, in punkto Anflüge ist lediglich empfohlen worden, diese außerhalb von Siedlungsgebieten entlang zu führen. Eine pauschale Aussage, die leicht abgelehnt werden könne, schätzte Peter Kreilinger, Sprecher der Havelseen-Initiative. „Die Gefahr ist längst nicht gebannt“, sagte er.

Die anwesenden Landespolitiker unterstützten die meisten Forderungen der Fluglärm-Gegner. Die märkische Union hatte sich zum Beispiel schon im vergangenen Jahr für die Rückkehr zu den ursprünglichen Routen in südliche Richtung ausgesprochen. „Wir stehen nach wie vor für Vertrauensschutz: Was den Bürgern in den letzten Jahren gesagt wurde, muss auch eingehalten werden“, so Katherina Reiche (CDU), parlamentarische Staatssekretärin im Bundes-Umweltministerium. Sie forderte die Landesregierung zu mehr Offenheit und Transparenz auf.

Die von den Bürgerinitiativen geforderte Start- und Landessperre zwischen 22 und 6 Uhr wurde jedoch kontrovers diskutiert. „Ja, wir sind gegen ein strenges Nachtflugverbot“, stellte Saskia Ludwig, Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag, auf Nachfrage klar. Man könne nicht einen Flughafen bauen und dann das Zeitfenster für Flüge begrenzen, so die Landespolitikerin. Die Wahl Schönefelds als Standort vor 15 Jahren sei eine politische Fehlentscheidung gewesen, „damit müssen wir jetzt aber umgehen und die Betroffenheit der Bürger mindern“, so Ludwig. Brandenburg hatte 1996 den Standort Sperenberg (Teltow-Fläming) empfohlen, war aber von Berlin und dem Bund als weitere Teilhaber überstimmt worden.

Die SPD- und Linken-Basis indes gibt ihrer Landesregierung kontra – wenn auch in dem Wissen, bei den Genossen auf verlorenem Posten zu stehen. „Ein erweitertes Nachtflugverbot wäre nicht nur für uns, sondern auch für die Flughafen-Anrainer wichtig“, sagte die SPD-Landtagsabgeordnete Susanne Melior, um dann einzuschränken: „Leider wird es dafür keine Mehrheit geben.“ Ihr Koalitions-Kollege Andreas Bernig von den Linken forderte ebenfalls, ein Nachtflugverbot konsequent von 22 bis 6 Uhr durchzusetzen. Der Vorsitzende des Landtags-Verkehrsausschusses Michael Jungclaus (Grüne) erklärte, dass es durchaus Hoffnung gebe, die Mehrheit im Parlament zu gewinnen. „Beim solaren Lärmschutz haben wir es doch auch geschafft.“ Das Land als Genehmigungsbehörde habe Möglichkeiten, die Wünsche der Bürger umzusetzen.

Für Optimismus sorgte auch Thomas Myck vom Umweltbundesamt. Seine Behörde ist an der Genehmigung der Flugrouten beteiligt – und werde selbst Möglichkeiten vorschlagen, um den Lärm zu mindern. Dazu würde ein gezieltes Konzept für den Betrieb der Start- und Landebahnen gehören, ebenso wie Lärmgebühren für laute Jets. Auch das geräuschärmere Anflugverfahren CDA, bei dem die Jumbos quasi im Leerlauf auf Sinkflug gehen, sei möglich. Auch Myck forderte unter großer Zustimmung eine „nächtliche Betriebsbeschränkung“ für den BER.

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